Ich trage, was ich will

Heute las ich irgendwo einen Artikel einer Frau, die sich selbstbewusst gab und fand, Frau (Mann wohl auch, irgendwie war das kein Thema) könne alles tragen, egal wie alt sie ist und welche Konfektionsgrösse sie trage.

Natürlich darf sich jeder kleiden, wie er will. Sogar bis zur absoluten Blamage. Wenn er sich wohl fühlt? Oft hat das „Ich trage, was ich will“ einfach was extrem Trotziges und Trotz ist irgendwie ein wenig Pubertär.

Nicht jedes Kleidungsstück schmeichelt jedem. Manches möchte man schlicht nicht sehen, manches liefert den Tragenden nur dem Spott der anderen aus. Wenn jemand etwas unbedingt tragen will: Fein, soll er machen. Wenn er aber insgeheim leidet, sollte er auf gute Freunde vertrauen können, die ihm sagen, was passend (zu ihm, nicht zu irgendwelchen Werten), was eher blossstellend ist. Das hat wenig mit „hirnrissigen Regeln“ zu tun, sondern mehr mit gesundem Menschenverstand. Wenn ich als 154 cm grosse eher runde Frau einen weiten Wallemantel trage, wirke ich schlicht wie eine Kugel. Wenn ich mich als 190 cm grosse dünne Frau auf 15 cm High Heels stelle, dazu alles kurz und knapp bemesse, wirke ich wie eine Bohnenstange, die drauf wartet, dass die Bohnen gepflanzt werden.

Ich weiss auch nicht, ob ich Orangenhaut am Po einer wie auch immer gealterten Frau sehen möchte, die ihren Rock noch über dem Slip enden lässt. Ebenso finde ich den Bierwanst des Mannes nicht wirklich attraktiv, wenn er ihn unterm zu kurzen und taillierten Lacost-Leibchen rausblitzen lässt. Nur: Interessanterweise war der Herr gar kein Thema in dem Artikel. Man schrieb nur für (eigentlich mehr und gegen) die Frau. Und die soll können. Und dürfen. So alles. Weil sie es kann. Und darf. Sie ist ja frei. Und jeder, der einschränkt, ist hirnrissig. Wie ist das denn mit den weissen Socken in Sandalen der Herren? Den Bierbäuchen, die raushängen? Wie ist es mit Unterhemden oder gar nackten Oberkörpern bei Nicht-Adonissen? Dann müssten die alle auch können. Können sie?

Keiner kann alles tragen. An Flachbusigen-Unrundigen sehen dekoltierte und enganliegende Kleider schlicht schrecklich aus. Ebenso ist bauchfrau bei Grösse 54 nicht wirklich schön (bei der Bohnenstange übrigens nicht schöner). Und dazwischen gibt es ganz viel. Schlussendlich entscheidet jeder für sich. Aber: Er muss wissen, was er aussagen will, was er ertragen kann und vor allem: Wieso er es macht. Nur aus Trotz? Das fände ich schlicht (Spät-)Pubertär. Weil es ihm gefällt? Was genau dran?

Hier der Artikel, der mich anregte: LINK

7 Kommentare zu „Ich trage, was ich will

  1. Ich schätze meine Würde hängt nicht von meinem Kleidungsstil ab und ob ich in Würde alt werde sowieso nicht, da spielen für mich andere Kriterien eine Rolle. Mir tun schon die Augen weh, wenn Männer Tennissocken in Sandalen tragen, aber die werden schon weniger, zumindest in Marburg 😉

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  2. Was für ein wagemutiges Thema, liebe Sandra, das Du hier diskutierst, Chapeau!

    Nun, ich persönlich achte sehr auf mein Äußeres, dazu gehört für mich auch der Kleidungsstil und da ich auf Ästehtik achte, ist mir auch die Physiognomie sehr wichtig…

    Du beschreibst das sehr gut mit der runden Frau, die den Wallemantel besser nicht tragen sollte…
    Beim Kleidungsstil stören mich die Tennissocken weniger als die Präsentation des Ganzen.
    Mir graut bereits jetzt vor der Sommerzeit. Da haben die Leute einfach zu wenig an und genau diejenigen, bei denen es unschön ausschaut, zeigen sich „in voller Blüte“: Bekomme regelmäßig „Zustände“, wenn ich sehe, wie die Speckwürste und die Dellenhaut zur Schau gestellt wird!

    Dennoch. Man muß die Leute gewähren lassen.

    Ich habe mir angewöhnt, einfach wegzuschauen.

    «Kleider machen Leute» Gottfried Keller hat ja bereits im 19. Jahrhundert in seiner Novelle dieses Thema angesprochen…

    Eine Gute Nacht aus ma belle France nach Zürich, bT!NA

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