Wann ist ein Künstler Künstler?

Heute las ich auf FB die Frage, wann ein Mensch Autor genannt werden könnte. Da diese Frage relativ einfach zu beantworten ist, da Autor ein relativ klar definierter Begriff ist (Autor ist grundsätzlich ein Verfasser eines Textes – und der muss in Umfang, Art und Verwendung nicht definiert werden), wollte der Fragende wohl mehr erfahren. Und das hat er.

Es hagelte nur so Antworten. Wirklich interessant waren die Antworten derer, die sich als Autoren von anderen Schreibenden abheben wollten. Autor, so hiess es vehement, sei nur, wer ein Buch bei einem Verlag veröffentlicht hätte. Alle anderen wären nur Hobby-Schreiberlinge. Sie wurden auch nicht müde zu betonen, dass sie selber für (gleich) mehrere Verlage schrieben und das beim Finanzamt angäben (das Finanzamt scheint in dem Fall sehr wichtig zu sein). Sie gestanden bei dieser sehr finanzorientierten Definition immer ein, dass man nicht zwingend davon leben könne, wenn man die Kriterien erfüllt. Ich war froh, denn ich hatte von den Namen noch nie gehört, geschweige denn was von ihnen gelesen. Autor sei – das war trotzdem ihr Fazit – nur einer, dessen Text mindestens einmal gekauft wurde.

Nun erachte ich Schreiben durchaus als Kunst (mal mehr mal weniger kunstvoll). Ich wagte also todesmutig den Vergleich mit der Malerei. Gaugin, so mein Einschub, sei also ein Hobbymaler gewesen. Die Antwort: Zu Lebzeiten wohl. Zum Künstler wurde er erst posthum. Ich war dann still. Und dachte mir meines.

Hätte Gauguin es ebenso gesehen, gäbe es wohl kein Bild von Tahiti. Ganz viel Kunst wäre nie entstanden, würde man Kunst nur am Geldfluss messen. Ja, einige Kunst bringt viel Geld. Aber auch ganz viel Mist bringt viel Geld. Kunst am Geld festzumachen, erachte ich als falschen Weg. Natürlich würde ich mir wünschen, dass Künstler leben könnten von ihrer Kunst. Ich hätte Gauguin all die posthumen Millionen gegönnt. Generell wäre es schön, dass Kunst einen Wert hätte, der es dem Schaffenden ermöglichen würde, zu überleben. Und zu schaffen.

Aber: Kunst nur daran zu messen? Damit würde man der Kunst die Seele rauben. Kunst wäre keine Auseinandersetzung mehr mit dem Leben, mit der Welt, sie wäre blosser Kommerz. Und nein, ich sage damit nicht, dass jede Kunst, die Geld bringt, keine ist. Es gibt zum Glück Künstler, die früh genug entdeckt und gefördert und bezahlt werden. Der Umstand, wer dieses Glück hatte und wer nicht, entscheidet kaum über die Qualität ihrer Kunst, es sagt schlicht mehr über die Umstände aus, denn: Es gibt ganz viel finanzierte und veröffentlichte Kunst (Literatur), die schlicht nur Schrott ist, genauso gibt es viel an Kunst, das in Schubladen, Ateliers und Kellern auf Entdeckung wartet.

Ob etwas Kunst ist, sollte sich aus dem Werk selber definieren, nicht daraus, ob es Geld brachte. Produziert jemand nur, um Geld zu kriegen, ist es selten Kunst. Kann sein, muss nicht. Das ist nicht verwerflich. Wir müssen alle leben. Nur: Wenn wir dann aufs hohe Ross steigen und alle anderen abstufen, dann sitzen wir schlicht auf dem falschen Pferd. Ich bin dankbar für all die Künstler, die auch ohne finanziellen Erfolg weiter machten. Wie viele Meisterwerke in allen Bereichen wären uns verwehrt gewesen sonst.

Ich wünsche mir, dass jeder Künstler den Mut hat, seinen Weg zu gehen. Dass er sich nicht abhalten lässt von solchen Aussagen, die wohl mehr von der Profilierung der Aussprechenden zeugen als von einem Kunstverständnis. Künstler zu sein, hat selten mit Wohlstandswillen zu tun, es ist meist der Wunsch, sich auszudrücken. In einer Welt, die ist, wie sie ist. Wenn es gehört werden will – zu Lebzeiten des Künstlers –, umso schöner.

20 Kommentare zu „Wann ist ein Künstler Künstler?

  1. Ich bin wirklich ganz bei dir Sunny, auch wenn ich über die Reaktionen auf FB nur müde lächeln kann. Nehme ich alle Kunst weg, die zu ihrer Zeit dem Künstler kein Geld brachte, gäbe es keine Museen auf die wir alle mit Stolz zeigen könnten, um auf unsere grandiose Kultur hinzuweisen. Es gab für mich immer nur einen Unterschied in den Begrifflichkeiten. Den Autor hast du schon genannt und der Schriftsteller kann von seiner Kunst leben, da diese Bezeichnung ursprünglich vom Schriftsetzer kommt, der Texte für Menschen verfasste, welche selber nicht schreiben konnten.

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  2. Sehr interessanter Vergleich zwischen Literatur und Kunst. Wobei ich dabei nochmal genauer differenzieren würde und lieber Autor und Maler vergleichen würde. Wenn ich etwas male (freizeitmäßig, ein Acrylbild, das sich meine Eltern rahmen lassen und in die Wohnung hängen), dann ist das für mich auch Kunst. Dennoch bin ich meiner Meinung nach kein Künstler.
    Ob man Autor ist oder nicht, hängt meiner Meinung nach weniger vom geschaffenen Ergebnis ab, sondern mehr davon, ob man sich selbst als solcher definiert.

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      1. Du denkst also, das Sein und Tun bestimmen und nicht die Bewertung? Finde ich eine schöne Sicht, die ich eigentlich auch teile irgendwie.

        Liebe Grüsse, Sandra

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  3. Ich schreibe ja ziemlich viel, doch ich benötige keine Definition dafür. Schon vor ein paar Tagen ging es bei jemandem, dem ich folge, um Definitionen der Dinge, die wir tun, weil sie dann angeblich klarer werden. Wenn in Wahrheit doch nur klar werden muss, dass ich das, was ich tu, gern mache und es darum weiterbetreibe. Wie ich es oder mich nenne, das ist mir gleichgültig.
    (Beim Finanzamt gebe ich auch die 13,40 an, die ich im letzten Jahr mit dem Verkauf von acht (?) Büchern erwirtschaftet habe, als Autorin laut Definition in meinem Kopf fühle ich mich da aber nicht. Ich glaube, für mich ist das jemand, der ganz darin aufgeht, es hauptsächlich macht, sein Leben dem Risiko des Darin-Scheiterns aussetzt. Aber wie gesagt: Das ist nur eine individuelle Definition zu etwas, zu dem ich mir wenig Gedanken mache.)

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    1. Wenn man Dinge generell nicht bewertet und benennt, bin ich mit dir einig, sehe es auch so. Das wichtigste ist das Tun und die Haltung dazu. Wenn man aber bewerten will und die Namen nur dazu verwendet, Hierarchien zu bilden, indem man Begriffe offensichtlich falsch verwendet, dann finde ich das schade.

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  4. Oje, das riecht nach der unseligen E- und U-Diskussion. In welche Kategorie fällt denn Kunsthandwerk? Das Verzieren von Gebrauchsgegenständen? Hiess es nicht mal, was zum Verkauf bestimmt sei bzw. mit dem Ziel, damit Geld zu verdienen, hergestellt würde, könne KEINE Kunst sein, weil Kunst allein dem Selbstzweck dienen kann, aber niemals dazu, eine Miete zu bezahlen oder die Krankenkasse?
    Herzliche Grüsse von einer, die definitiv Autorin ist, aber keine Schriftstellerin und vielleicht Künstlerin, aber vielleicht auch nicht

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  5. Liebe Sandra,

    die Künstlersozialkasse hat eine pragmatische Definition geliefert, sinngemäß:

    als Künstler gilt der, der von Kunstkritikern als solcher bezeichnet wird.

    Ich selbst würde sagen: Ein Künstler ist einer, der Kunst macht!

    Damit das kein Zirkelschluss wird eine Definition nötig: Was ist Kunst?

    Von Kunst spreche ich dann, wenn ein Werk über Nabelbeschau hinaus wächst und über den Beklaghaferlbeitrag am Gartenzaun: ist es nicht schrecklich? Also etwas was über wohl bekannte Phrasen hinaus zeigt zu neuen Fragen!? Wo man davor steht, stutzt und sagt: “ Ja, genau, das wollte ich auch schon immer wissen. „

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