Melanie Trump – oder: die zwei Messlatten der Feministinnen

Es ist noch nicht lange her, da ging durch die Schweiz ein Aufschrei. Frauen äusserten sich, wie sie diskriminiert, wie ihre Leistungen degradiert, wie sie für Männer geopfert wurden.

Heute wurde Donald Trump zum nächsten Präsidenten der USA gewählt. Dieselben Frauen, die vorher aufschrien, gehen nun dahin und spotten über die neue First Lady. Sie betiteln sie als geldgeile Prostituierte, stellen Bikinibilder mit hämischen Sprüchen ins Netz. Melanie Trump wird zum Bauernopfer. Mehrheitlich Frauen benutzen sie, um ihrem Frust über den Wahlausgang Luft zu verschaffen.

Ich bin wahrlich nicht glücklich über den Wahlausgang. Leider stand mein Wunschkandidat nicht mal zur Wahl, es galt, das kleinere Übel zu wählen. Wer das global und auch national sein würde, konnte man nur ahnen, die Geschichte – das wusste schon Kierkegaard – erklärt sich erst hinterher. Trotzdem hätte ich Hilary gewählt. Nur: Das steht hier nicht zur Debatte, darum geht es mir nicht. Worum es mir geht?

Wie kann man auf der einen Seite für die Rechte der Frau einstehen, sich stark machen dafür, dass Frauen nicht mehr als blosse Anhängsel, Instrumente, Objekte gesehen werden sollen, um dann im nächsten Atemzug auf einer Frau genau auf diese Weise rumzuhacken? Oder: Gilt Feminismus nur, wenn er einem selber dient?

Wer nun meint, sagen zu müssen, Melanie Trump hätte es ja aber drauf angelegt, sie hätte sich zum Objekt gemacht, indem sie Fotos von sich veröffentlicht, indem sie diesen Mann geheiratet hätte, indem sie eben tat und war, was sie tat und war… dem sei die Frage gestellt: Standest du noch nie vor dem Spiegel und fragtest dich, wie der Rock wirkt? Wie der Lippenstift? Wie gross der Ausschnitt sein soll, darf, kann? Wir alle spielen mit dem, was wir haben. Situativ. Und trotzdem sind wir Menschen mit einer Würde, die es zu schützen gilt. Wir können nicht einstehen für Werte, um sie dann im nächsten Augenblick selber mit Füssen zu treten.

Mir geht es hier nicht um Melanie Trump. Ich kenne sie nicht. Ich behaupte auch nicht, dass sie über jeden Zweifel erhaben ist. Es bestehen doch (wohl berechtigte) Zweifel über Punkte in ihrer Biografie. Diese anzusprechen ist legitim. Das wären sachliche Argumente. Auf der sexistischen Schiene zu agieren oder aber sie als Blitzableiter zu benutzen entbehrt jeglicher sachlichen Begründung – von der humanen ganz zu schweigen.

14 Kommentare zu „Melanie Trump – oder: die zwei Messlatten der Feministinnen

  1. Was für eine Blitzableiterreaktion fändest Du denn angemessen?
    Ich hab gesehen, was Melanie für ein Gesicht gezogen hat, als sie mit Trump auf die Bühne kam, als dieser gestern Nacht seine Siegesrede vorlas. So etwas sehen die Menschen. Das ist eine von vielen Kleinigkeiten, die gegen Trump sprechen. Es sprechen auch viele „Größigkeiten“ gegen den Mann. Aber niemand hört zu. Da ist es doch klar, dass Argumente gegen Trump an den Haaren herbeigezogen werden. Damit endlich mal jemand aufwacht. Melania Trump ist da ein Opfer, das sehe ich auch. Aber ich habe kein Mitleid. Dafür wird sie bezahlt.

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        1. Ich sprach über ein Verhalten. Frau Trump war ein aktuelles Beispiel. Die Antwort war konkret, ich fragte ebenso nach.

          Schlussendlich geht es doch immer nur um die eine Frage: Mit welchen Massstäben messen wir?

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  2. Jeder der Frau Trump oder von mir aus auch Prinz Harrys neue Freundin mit dem Brennglas betrachten darf, eignet sich entweder eine Meinung an oder erstellt seine eigene, weil die ja weit weg sind und was macht es da schon diese als Schlampen oder ähnliches zu bezeichnen. Mir ist auch egal was für ein Gesicht Frau Trump gezogen hat oder ob der Sohn im Stehen fast eingeschlafen ist. Entscheidend wird sein was dieser Mann macht und wie Europa auf ihn reagiert und da habe ich bisher nicht viel professionelles gehört, weder von Männern, noch von Frauen.

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    1. Nicht nur, aber auch ganz oft. Und gerade da finde ich es bedenklich. Sachliche Argumente, die wirklich ihr Tun betreffen, ok, aber einfach sexistische Beleidigungen?

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  3. Ich denke es ist Ausdruck einer noch patriarchalischen Gesellschaft, wenn Frauen in der Öffentlichkeit mit sexistischen Maßstäben gemessen werden. Entweder ist ihr sexuelle Lebenswandel nicht korrekt, oder das Kleid ist unmöglich, die Haare sind unerträglich, sie hat keine Kinder oder zu viele usw. …. nur Frauen sollten sich nicht auch noch selbst daran beteiligen. Populismus bekämpft man nicht mit Populismus Sonden mit seriöser Argumentation.

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  4. Was Du beschreibst habe ich in den feministischen Kreisen, in denen ich mich tummle, nicht mitbekommen. Ja, als sie die Rede von Michelle Obama kopiert hatte, wurde sie ausgelacht. Danach hat sie in meiner Wahrnehmung kaum mehr jemand als politische Akteurin ernst genommen.
    In konservativen Kreisen hingegen findet sie grosse Bewunderung, weil sie alles hat, was in deren Augen eine Frau ausmachen sollte: Sie ist schön, nicht allzu klug (ämel in der Öffentlichkeit), drängt sich nicht in den Vordergrund sondern ist ein attraktives Schmuckstück für ihren Mann. Was böse Zungen eine „Trophäenfrau“ nennen würden. Diese Positionierung hat sie sich aus welchen Gründen auch immer, als erwachsene, selbst bestimmte Person, selbst gewählt. Sie hätte auch anders entscheiden und sich aktiv politisch einbringen können. Kritik wird es so oder so hageln, entweder von hüben oder von drüben. So what.

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    1. Ich habe immer noch mehr „ach so witzige“ Bilder mit einer nackten oder halbnackten Melanie gesehen, begleitet von hämischen Kommentaren. Ja, sie hat sich für den Mann entschieden. Aber was anderes heisst Emanzipation anderes, als selber eine Entscheidung treffen zu können und nicht zu einer gezwungen zu sein? Wieso klagen Feministinnen an, wenn Frauen auf Sexualmerkmale reduziert werden, um es dann, wenn es politisch grad passt, selber anzuwenden? Sie hat sich entschieden und sie lebt wohl gut damit -oder nicht, ich weiss es nicht, ich kenne sie nicht. Sie ist nicht Thema eigentlich. Er ist es. Aber man redet nun über sie. Ständig. Und definiert sie damit über ihn. Und genau das wollte man doch nicht als Feministin – oder etwa doch, wenn es grad passt?

      Und nein, es sind sicher nicht alle, aber ich las und sah es oft…

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      1. Ich verstehe Deine Fragen. Aber ich kann Dir nur empfehlen, sie den betreffenden Personen zu stellen. Denn ich bin eine Feministin, nicht alle und es gibt auch nirgends ein Handlungsmanifest, an das sich alle Feministinnen zu halten haben 😉

        Ich fand übrigens die Argumentationslinie mancher Antifeministinnen auch befremdlich: Clinton sein unwählbar, weil sie sich von ihrem Mann habe betrügen lassen… HÄ?

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        1. Ich habe die Betreffenden oft drauf angesprochen, keine Frage. 😉 Trotzdem hat es mich beschäftigt. Ich finde, Punkte zur Diskussion zu bringen, kann auch helfen, neue Sichtweisen zu erhalten. Und genau das wollte ich.

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          1. Absolut. Ich habe mich bisher nicht so mit dem Thema befasst aber ich könnte mir vorstellen, dass ein Teil der Häme daher kommt, dass der Double-Standard angeklagt wird: Dieselben Leute, die Michelle Obama als „unwürdige Schlampe“ und ungeeignet als First Lady fanden, weil sie schulterfreie Kleider trug (!) feiern jetzt Melania Trump als wunderbare First Lady. Ich könnte mir vorstellen, dass die Häme eigentlich als Kritik an denen gedacht ist und M.T. gar nicht als Person und für ihre Handlungen kritisiert wird, sondern für das, was sie symbolisiert.
            Aber das ist natürlich reine Spekulation.

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          2. Ich vermute, dass es eine Mischung aus ganz vielen Gefühlen ist – Frustration über den Sieg Trumps, Neid auf ein Leben, das durchaus irgendwie beeindruckt, Neid auch auf ihre Schönheit, denn sie ist schön (dabei muss sie einem nicht gefallen – das sind zwei Paar Schuhe), Ablehnung von gewissen (Familien- und Rollen-)Modellen, etc. Aber auch das sind nur Spekulationen…

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