Die selbsternannten Geschmackshüter

KonzertGabalierIch war gestern an einem Konzert. Das alleine wäre ja nicht verwerflich, einige fanden es aber so, weil der auftretende Künstler Andreas Gabalier war. Die Aussage „Ich bin erstaunt“ war noch die harmloseste, die „Intelligenter Mensch und Andreas Gabalier-Konzert schliessen sich aus“. Es ist nicht neu, dass ich wegen meines Musikgeschmacks verspottet werde. Dass der hier kritisierte Künstler das Hallenstadion voll machte und es danach in einem jubelnden, mitsingenden, fröhlichen Hexenkessel verwandelte, bringe ich mal nichts als Argument ins Spiel, das würde bloss als „reiner Kommerz“, „Masse statt Klasse“ und ähnliches abgetan. Es gibt etwas, das mir je länger je mehr sauer aufstösst:

Da gehen Menschen dahin und setzen ihren persönlichen Musikgeschmack als Absolutum. Sie setzen sich auf den Thron des Richters über gut und schlecht und setzen dann andere, die mit ihrem Geschmack nicht konform laufen, herab. Setzt man was dagegen, kriegt man gleich die Totschlagkeule um die Ohren: Du verstehst kein Spass! Es ist ja auch ach so lustig, ständig wieder abfällige Kommentare zu hören über die eigene Musik. Und vor allem ist es ach so kreativ, die ewig gleich Kommentare zu schreiben. Ich habe Humor. Allerdings sollte das Vorgetragene auch wirklich Humor darstellen und nicht nur unsensibles, unbedachtes und abwertendes Palaver.

Was mir aber noch mehr aufstösst: Wer masst sich eigentlich an, anderen zu sagen, was sie hören müssen? Was für ein Mensch ist das, der selber findet, die absolute Wahrheit in einem Bereich für sich gepachtet zu haben? Oft sind es sogar Menschen, die sonst von Pluralität reden, von Toleranz, von Offenheit und Empathie. Vermutlich ist es einfach einfacher, diese Begriffe zu diskutieren als sie selber zu leben. Notfalls kann man da ja alles als Humor und ach so witzig abtun und sich dabei gleich doppelt überlegen fühlen.

Gabalier
Andreas Gabalier Volks-Rock’n’Roll

Hab ich schon gesagt, dass ich und meine Freundin soeben Tickets für das Gabalier-Konzert in München bestellt haben? Auf das Konzert in Zürich haben wir fast 1,5 Jahre gewartet, so lange hatten wir die Tickets schon (eine lange Geschichte), diesmal ist die Vorfreude etwas kürzer, nur ein halbes Jahr. Wir hängen dann gleich das ganze WE dran und lassen es uns gut gehen. Wir sind halt einfach unbelehrbar.

7 Kommentare zu „Die selbsternannten Geschmackshüter

  1. Hallo Sandra
    Ich habe mich auch gewundert, dass Du ans Gabalier Konzert gingst. Aber nicht wegen einem eventuellen Missverhältnis von Musik zu Intelligenz oder umgekehrt.
    Nein, sondern weil das, was Du in Blogs, FB und Tweets so über Deinen Lebensstil bekannt gibst, Dich eher bei Klassik oder Jazz oder speziellem Pop, Blues und ähnlichem vermuten lässt.
    Sich am Leben freuen ist für mich immer gut, ob bei einem feinen Essen, bei Ländlerkapelle. Helen Fischer oder einem Barock Orchester, einer Big Band oder was auch immer Musik; auf einer Wanderung, beim Spiel mit Kindern, im Schwimmbad, bei Yoga usw. und beweisst für mich eher Intelligenz als dass es diese ausschliesst, weil Intelligenz eben auch Offenheit für ganz vieles ermöglicht – oder gar voraussetzt?
    Abwechslung macht das Leben reich. Weiter so.

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    1. Oh, ich liebe Klassik, ich liebe auch Jazz. Ich bin mit Volksmusik aufgewachsen, war aber mit meinen Eltern auch an ganz vielen Jazz-Matinees. Ich mag die 80er-Discosongs, ich liebe Elvis seit ich 6 bin, Frank Sinatra ebenso. Blues gehört natürlich auch ins Sortiment. Und ja: Ich liebe Schlager. Du glaubst nicht, welchem Spott man sich in gewissen Kreisen aussetzt, wenn man sich dazu bekennt. Es sind meist Menschen, die sich selber betont elitär geben, die auf gezeigte Intelligenz und (An-)Schein bedacht sind.Ich bin bodenständig. Allerdings ist man am Boden auch schon näher an der Tiefe dran. Höhenflüger graben in den Wolken….;)

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      1. Siehst Du, und ich schaue am Sonntag Abend gerne im Bayerischen/Bayrischen Fernsehen ein Lustspiel des Chiemgauer Volkstheater oder den Komödienstadel. Was ich dafür schon belächelt wurde! Aber manchmal muss ich wirklich lachen – über Texte oder die Mimik oder beidem und weil ich in einer bäuerlichen Umgebung aufgewachsen bin, wie sie oft von den Chiemgauern in einer ganz guten Weise nachgespielt und parodiert wird, fühle ich mich jeweils für ca. 75 Minuten ganz wohl.

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  2. Das ist leider nicht meine Musik.
    Ich höre und sammele recht viel, habe aber auf diesem Weg aber so manche „Stile“ hinter mir gelassen. Das merke ich, wenn ich einige der Favoriten der letzten 5 – 7 Jahre wieder anhöre. Manches geht dann einfach nicht mehr.
    Ich höre z.b. gern „Harry Lachners“ Nachtsession auf Br2, der hat immer recht schräge Dinge, zwischen Rock, Noise, Garage, Jazz, Ambient, Field recording ect ect. Damit wird manchmal für den Zuhörer ein neues Tor aufgestossen. Vieles davon kann ich natürlich nicht bestellen – das sind z.Teil sehr experimentelle Dinge. Aber ich bin da wißbegierig.
    Ich stehe halt auf musikalische Herausforderungen im elektronischen Sektor, auch im Jazz, weiß aber letztlich nicht, wohin mich meine musikalischen Bedürfnisse in den nächsten Jahren treiben werden. Entweder zu etwas völlig „Abwegigem“ oder wieder zurück zu etwas „Klassichem“ wie etwa Frank Sinatra.
    Ich habe jedenfalls die letzten Jahre sehr viel eigene Recherche , das war oft meine Abendbeschäftigung. Bereut habe ich dabei nichts.

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  3. Ich habe festgestellt: Es gibt kaum zwei Menschen, die einen Musikgesmack gemeinsam haben. Ich kenne niemanden!
    Es gibt immer Felder, die man mehr oder minder mit jemandem teilt, aber erstaunlicherweise teilen diese Brüder im Geiste andere Felder überhaupt nicht mit einem. Ich kann mir z.b. nicht vorstellen, Techno, Schlager, Metal, Neue Deutsche Welle, Jazz und Kunstmusik gleichermassen zu schätzen. Es gibt aber offenbar solche, die können divergierende Stile goutieren! Und dagegen kann man kein Argument vorbringen. Abzuwerten ist da nichts. SOLANGE der Mensch generell ein Fan von Musik ist, bin ich auf seiner Linie.
    Wichtig ist die Liebe zur Musik!

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    1. Mein Musikgeschmack ist sehr breit, ich mag eigentlich fast alles, ausser „zu wilder“ Jazz und zu harte Sachen. Je nach Stimmung zieht es mich zur einen oder anderen Stilrichtung hin und das finde ich das Wunderbare an Musik: Sie kann Stimmungen begleiten, kann sie verstärken und auch Gefühle wecken oder untermalen.

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