Internet ist die Welt, wo man anonym durch die Welten fliegt. Man kann sagen was man will, man sitzt bequem hinterm Bildschirm und niemand kann einem was. Menschen werden mutiger, sagen Dinge, die sie Aug in Auge nie sagen würden. Sie würden sich schämen. Es ist auch einfacher, jemanden anzugreifen, da dieser nicht zurückschlagen kann. Es ist auch einfacher, Gefühle zu zeigen – oder anzudeuten -, niemand schaut dir in die Augen, du verlierst das Gesicht nie, da du immer sagen kannst: All die Gefühle, all die Herzchen – das war nur Internetsprache, nicht ernst gemeint.
Da sitzt man also vor dem Bildschirm und tippt so vor sich hin. Teilt mit der Welt da draussen, die nun durch die Social Media Freunde und Follower wurden, Sorgen, Nöte und auch Freuden. Und man fragt sich vielleicht: Was an den Reaktionen ist echt? und: Was wäre noch da, wäre ich mal weg? Würde mich jemand vermissen? Würde jemand merken, dass von mir nichts mehr kommt, würde der eigene Platz nicht einfach durch einen der xxx Freunde ausgefüllt?
Das ist schlimm? Ich denke fast, es ist das kleinste Übel in den sozialen Medien. Was mir immer wieder auffällt und mehr als sauer aufstösst, sind Menschen, die meinen, sie müssen immer und überall ihre bösartigen, spöttischen und abwertenden Kommentare lassen. Kommen die nicht gut an, nennen sie es Humor und das entschuldigt ja alles. Humor muss man schliesslich haben und unter dem Deckmantel kann jede einzelne Bösartigkeit versteckt werden.
Darf man alles sagen? Wohl schon. Wir leben in einem Land mit freier Meinungsäusserung. Diese ist ein Grundrecht, ein wichtiges sogar. Nur: Muss man alles sagen? Muss man Dinge sagen, von denen man wissen kann, dass sie dem anderen wenn überhaupt etwas, nur Schmerz bringen? Es sei denn, er ist genügend abgehärtet. Aber: Ist das wirklich wünschenswert? Menschen, die abgehärtet sind gegen mögliche Angriffe, gegen jegliche Bösartigkeiten? Das wären dann die Menschen, die auch sonst die Herzen verschlossen haben, Gefühle hinter Mauern packen, um ja nirgends in Gefahr zu laufen, verletzt zu werden.
Wir züchten uns also unsere Welt voller Mauern, voller Schutzwällen. Und wir hören von vielen Seiten, dass wir das auch tun müssen, dass wir uns eine dicke Haut zulegen sollen, die Dinge nicht an uns herankommen lassen dürfen. Wie könnten andere sonst noch weiter unsensible Witze und abwertende Kommentare loslassen, wenn alle so empfindlich wären und sich alles zu Herzen nähmen? Oder: Machen die Witze und abwertenden Kommentare nur dann Spass, wenn sie den andern so richtig treffen? Was aber würde das dann über die Kommentierenden aussagen? Wohl wenig Gutes. Und genau das ist es, was mich an Facebook je länger je mehr stört. Vielleicht ist Facebook in dem Bereich aber einfach auch ein Spiegel unserer Gesellschaft. Spass um jeden Preis, so lange die anderen den Preis zahlen. Verletzte Gefühle nimmt man dabei in Kauf (noch mag ich nicht glauben, dass man es sogar darauf anlegt, auch wenn sich der Gedanke immer mehr festsetzt…). Ist das wirklich die Welt, in der wir leben wollen?
FB legt offen, was sonst ungesagt und unbewusst bleibt – aber auch immer verdeckt da ist. Ich bin auch bei vielen Diskussionen dabei, wurde anfangs in die Fundi oder Progressiven-Ecke gestellt, habe es aber geschafft, dass doch manche registrierten, dass ich in keine Schublade passe. Oft geht bei solchen Diskussionen nach anfänglichen Argumenten alles in Blödelei, Pöbelei, hämischen Äußerngen oder Dummheit über. Da ist es dann Zeit sich auszuklinken.
LikeGefällt 3 Personen
Bei sachlichen Diskussionen und Themen kann ich noch verstehen, wenn man Meinungen von sich gibt. Die müssen auch nicht allen genehm sein. Wenn es dann nur noch ums Abwerten geht, darum, dem anderen seine Meinung nicht kundzutun, sondern diesen in seiner Meinung lächerlich zu machen, wird es mühsam und ja, dann bleibt nur noch ausklinken irgendwann. Was ich aber nie verstehen werde, sind die Bemerkungen zu Dingen, die jemand einfach aus Freude reinstellt, Bilder von Tieren, Bilder von Hobbies, Bilder von einem Anlass. Man muss das alles ja nicht toll finden, man könnte es dann einfach ignorieren, aber nein: Man denkt, man müsse einen Kommentar dazu machen, mit dem man zeigt: „Ich find dich lächerlich und weil ich das so sehe, stehe ich über dir. Ich urteile über dich.“ Das mag – wie du sagst – immer da sein, ist vielleicht auch menschlich, nur: Was bringt es dem anderen, wenn ich ihm jeden Mist vor den Bug knallen muss? Vermutlich bringt es dem was, der es sagt, nämlich eine Selbsterhöhung.
LikeGefällt 3 Personen
Sich selbst erhöhen kann man eben nur dadurch, dass man andere erniedrigt… Allerdings sinkt man dann selbst unter jedes Niveau… Und erhebt damit den anderen schon wieder…
LikeGefällt 3 Personen
Eingangs fragst du: „Würde mich jemand vermissen?“…
Ich würde dich vermissen…
LikeGefällt 3 Personen
Danke dir!
LikeGefällt 2 Personen
Ja Sunny, Du hast Recht mit deiner Einschätzung über FB. Ich habe mich allerdings gleich am Anfang entschieden alle Freunde ernst zu nehmen, sofern sie es wollen. Ich kenne noch jeden Namen von FB Freunden die gegangen sind und mit denen ich vorher Kontakt hatte. Darüber denke ich immer noch nach. Vor zwei Tagen hat mich eine Freundin angeschrieben, dass sie jetzt erst einmal bei FB aufhört, weil es ihr nicht gut geht. Ich fand das bemerkenswert, denn sie ist nicht einfach abgehauen. Sie hat unsere virtuelle Beziehung so ernst genommen wie ich. Das darf man jetzt gerne naiv finden, aber ich gebe mir sehr viel Mühe hinter all den Post und Kommentaren den wirklichen Menschen ein wenig kennen zu lernen und so sitze ich auch hin und wieder mit Dir am Tisch, trinke ein Glas guten Wein und genieße ein imaginäres Gespräch über Gott und die Welt und ja, Du würdest mir sehr fehlen.
LikeGefällt 1 Person
Du mir auch! Wirklich! Wir philosophieren jeweils gemeinsam, ganz bestimmt 🌺
LikeGefällt 1 Person
Vermissen würde ich Dich auch, ganz gewiss.
Intelligenz, Kreativität, Schönheit, Energie, Achtsamkeit und Sensibilität, auch ein wenig störrisch – eine unschlagbare Mischung (entschuldige das platte Wort „Mischung“).
LikeGefällt 2 Personen
Danke dir! Das beruht auf Gegenseitigkeit. So, wie ich dich durch deine Kommentare kennengelernt habe, würdest du mir fehlen. Ich mag deine tiefgründige Art, deine Kreativität, deine Offenheit und auch die differenzierte Weise, an Themen heranzugehen. Das alles zeugt von viel Menschlichkeit! Das mag ich!
LikeGefällt 1 Person
„aber ich gebe mir sehr viel Mühe hinter all den Post und Kommentaren den wirklichen Menschen ein wenig kennen zu lernen“
Das ist ja fast ein unwirkliches Unterfangen, sich über die Bits und Bytes, die vom anderen kommen, ein sauberes Bild machen zu können.
Ich habe ein detailliertes Bild von Dir und „Sunny“, durchaus, aber wieviel davon ist rein imaginiert? In die „Wertung“ eines Menschen fliesst auch ein vorgefundenes Foto recht stark ein, mindestens zu gleichen Teilen wie die Texte, wobei wir ja wissen, daß auch ein Foto sehr trügen kann.
Ich wäre ja sehr gespannt (leider kann man das ja nicht messen), wieviel meiner Vorstellungen über euch „real“ sind.
LikeGefällt 1 Person
Die Frage, die sich stellt, ist ja immer, wie viel Realität man wirklich erfahren kann. Selbst wenn man sich gegenübersitzt, sieht man ja nur immer, was gezeigt wird. So wirken einige Menschen zum Beispiel immer glücklich und fröhlich, weil sie schlicht die Trauer nie zeigen (ich nehme an, jeder Mensch trägt die ab und an in sich).
Ich denke, ich bin sehr authentisch. Ich schreibe, was ich denke, überlege meine Texte nicht vorher, sondern wenn mich ein Thema packt, fliesst es einfach aus mir raus. Natürlich stellt sich auch mir ab und an die Frage: Was kann ich wirklich thematisieren, wie viel preisgeben? Schon diese Selektion bringt sicher eine gewisse Färbung, allerdings keine bewusst verfälschende. Etwas zu schreiben, was mir nicht entspricht, mich irgendwie anders darstellt, als ich bin, läge mir aber fern, denn ich sähe keinen Sinn darin, das zu tun.
LikeGefällt 1 Person
Zugegeben Gerhard, es ist schwer. Bilder spielen aber bei mir keine Rolle. Ich entwickle die Persönlichkeit eines Menschen in meinem Kopf und das geschriebene Wort ist nur ein Teil. Ein größerer Teil ist wie er schreibt und was er nicht schreibt. Wofür er sich entschuldigt oder was ihn fasziniert. Eine persönliche Nachricht, seine Leidenschaft. Es ist der Blick ins Innere, den ich wage, nicht schöne Bilder oder Emoticons. Ich mache das schon sehr lange so und bin selten überrascht worden. So wird es mir mit Sunny auch gehen – bestimmt.
LikeLike