Sex und die Realität
Die Realität des freundlichen Zusammenlebens wird belastet von Dauerkalauern über ältere schweigende Paare, Filme über Sex im Alter, Lieder über Menschen, die sich die Kleider von Körper essen. Man kann dem Anspruch, den die Phantasie an den Geschlechtsverkehr stellt, nie gerecht werden.
Chloe und Rasmus sind seit vielen Jahren verheiratet. Rasmus ist ein erfolgloser Regisseur, der bei eigenhändigen Höhepunktsuchen über sein Sexleben nachdenkt, Chloe ist seine Frau und sie denkt über Rasmus und ihr Leben mit Sex nach. Grundsätzlich denken beide viel und ständig, Hauptthema ist dabei Sex und wieso er nicht passt. Den besten Sex haben Rasmus und Chloe ohne den andern, nur mit sich selber, wieso das so ist, erzählen sie sich selber in Gedanken. Es wird Sex gegen Vertrauen gestellt, Ernst gegen Leichtigkeit. Es wird über das Leben als Paar nachgedacht und den Wert, den der andere im eigenen Leben hat.
Thema des Buches ist das Zusammenleben von Paaren , wenn sie älter werden. Es ist die Geschichte eines Paares, das einen Weg zusammen gegangen ist und auch weiter gehen will – trotz Widrigkeiten, trotzdem das Leben nicht die Erfolge bereit hielt, von denen beide geträumt haben:
Nach zehn Jahren an der Seite eines bedeutenden Regisseurs wurde ich die Frau eines Verkannten.
Chloe ist dabei nur Anhängsel von Rasmus, sie scheint wenig eigene Interessen, wenig Gedanken über sich, wenig eigene Pläne zu haben, sie bleibt in ihren Gedanken auf Rasmus und ihr Leben mit ihm fokussiert:
Wir zwei würden es nach oben bringen. Also Rasmus würde es nach oben schaffen, und ich würde an ihm kleben.
Sibylle Berg greift mit diesem Buch ein aktuelles Thema auf, eines, das momentan viel beschrieben wird. Da mir ihr Sprachstil, ihr scharfes Denken und auch ihre Scharfzüngigkeit gefällt, wollte ich das Buch unbedingt lesen – und konnte es nicht. Für mich waren es zu viele Monologe, die sich um die ewig selben Themen wie Sex, kein Sex, besserer Sex drehten, bald zuviel. Die wirklich tiefgründigen Gedanken, die immer wieder vorkamen und die oben gelobten Gründe bestätigen, wieso ich das Buch lesen wollte, konnten mich nicht genug fesseln, fertig zu lesen.
Der Tag, als meine Frau einen Mann fand ist gewohnt düster, abgelöscht. Die Welt ist schlecht, das Leben ebenso, eigentlich ist es gegen die Wand gefahren, denn glücklich oder nur schon zufrieden sind alle nicht – und doch versuchen Rasmus und Chloe, es in Gedanken schön zu reden, sie haben Gründe für ihr Miteinander. Und wenn alles nichts hilft, wird der Frust wegmasturbiert. Ich habe drei Anläufe genommen, schliesslich auf Seite 97 aufgegeben. Die Geschichte kam irgendwie nie in einen Fluss, der mich mitriss, es fehlte mir der Sog, der mich einnimmt. Schade, denn ich hätte das Buch sehr gerne gelesen und irgendwie wurmt es mich noch immer, dass ich es nicht konnte. Die Sprache ist klar, schnörkellos, die Gedanken hinter dem Ganzen teilweise messerscharf, von einer guten Beobachtungsgabe der Autorin zeugend. Nebenbei sieht man glasklar den Spiegel, den sie der Gesellschaft entgegenhält, wie sie das auch in ihren Kolumnen meisterhaft tut. Als Roman hat es mich nicht überzeugt.
Fazit:
Gedankenkarusselle eines alternden Paares. Eine Geschichte, die mehrheitlich aus Gedanken an Sex, nicht stattfindendem oder zumindest nicht befriedigendem Sex und Masturbation mit verschiedenen Hilfsmitteln besteht.
Zur Autorin
Sibylle Berg
Sibylle Berg wurde 1962 in Weimar geboren. Nach einer Ausbildung als Puppenspielerin stellte sie 1984 erfolgreich einen Ausreiseantrag und zog in die damalige BRD. Nach diversen Jobs begann sie zu schreiben, war aber mit ihren ersten Versuchen unzufrieden. Erst Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot reichte sie bei Verlagen ein und stiess bei Reclam auf offene Ohren. Sibylle Berg schreibt Romane, Theaterstücke, Essays und Kolumnen (u.a. für NZZ und Spiegel Online). 2008 wurde sie mit dem Wolfgang Koeppen-Preis ausgezeichnet. Sibylle Berg wohnt heute in Zürich. Unter anderem von ihr erschienen sind Das unerfreuliche zuerst – Herrengeschichten (2001), Ende gut (2004), Die Fahrt (Roman, 2007), Der Mann schläft (2009), Vielen Dank für das Leben (2012), Der Tag, als meine Frau einen Mann fand (2015).
Interview mit der Autorin: Sibylle Berg – Nachgefragt
Angaben zum Buch:
Gebundene Ausgabe: 256 Seiten
Verlag: Hanser Verlag (2. Februar 2015)
Sprache: Deutsch
ISBN-Nr.: 978-3446247604
Preis: EUR 19.90 / CHF 24.55
Zu kaufen in jeder Buchhandlung vor Ort oder online u. a. bei AMAZON.DE und BOOKS.CH
Ja, das Buch ist definitiv harte Kost, und braucht einiges an Ausdauer (die ganzen Sexkapaden sind lesetechnisch eher abtörnend.). Ich hab es aber schlussendlich nicht bereut, bis am Schluss durchgehalten zu haben (vor allem weil die Geschichte an einen Punkt führt, an welchem eine Veränderung der eingefahrenen Situation unumgänglich wird und das ganze so irgendwie eine positive Note kriegt).
Gefallen haben mir die eng aufeinanderfolgenden Sichten auf die aktuellen Geschehnisse von Rasmus und Chloe, welche aus den teilweise bruchstück-artigen Notizen jeweils ein kompletteres Bild machen. Und natürlich die feinen kleinen Beschreibungen von eigentlich dramatischen Vorgängen, welche den generellen Lebensfrust der beiden gut wiederspiegeln.
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Danke für diesen anderenBlick auf die Geschichte – da ich um den Twist weiss, hat es mich doppelt geärgert, nicht weiterlesen zu können. Deshalb habe ich dreimal neu angefangen. Vielleicht klappt ein vierter Versuch irgendwann.
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Ich lese Sybille Berg sehr gern, aber dieses Buch habe ich bereits beim Durchblättern aufgegeben und in der Buchhandlung liegen lassen…. Manchmal ist es eben nicht der richtige Zeitpunkt.
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„Die Welt ist schlecht, das Leben ebenso, eigentlich ist es gegen die Wand gefahren, denn glücklich oder nur schon zufrieden sind alle nicht“.
„Ewig die selben Themen wie Sex, kein Sex, besserer Sex „.
Scheinbar zeichnete die Autorin ein sehr tristes Bild, zu dem das monologisierende und das Ewig-Gleiche an Themen dazugehören, um den Leser darin zu baden. Eine triste Welt stellt man wohl nicht durch tiefschürfende Analysen und Beschreibungen dar, sondern direkt durch Tristesse.
So stelle ich mir das vor.
Da ich leider wenig lese, werde ich mich kaum überzeugen können, ob meine Vorstellung hier zutrifft.
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