„Was wäre wenn“ und „wenn dann mal“

Wie oft verstricken wir uns in Gedankenspielereien, in denen wir uns ausmalen, wie unser Leben sein könnte, wenn es wäre, wie wir es gerne hätten. Wir benutzen die ganze Palette an bunten Farben, zeichnen jedes Detail genau, sehen es bildlich vor uns und schwelgen in sehnsuchtsvoller Freude ob des Gesehenen. Selber sitzen wir in einem Leben, das dem eben gemalten Bild kaum entspricht, oft sogar diametral davon verschieden ist.

Wir haben Gründe, Ausreden, Argumente, wieso nicht ist, was schön wäre. Wir sehen uns überall behindert, eingeengt, unfrei, zu erfüllen, wovon wir träumen. Und wenn der Druck der Fesseln zu gross wird, flüchten wir wieder in ein „Was wäre wenn“. Und malen bunt statt dem täglichen Einerlei und Grau zu erliegen.

Darauf angesprochen, wieso wir nicht tun, was wir gerne täten, fallen uns viele Dinge ein. Wir würden es sofort tun, wenn nur denn mal dies und das anders wäre. Wenn wir älter, freier, reicher, mutiger, schlänker, was auch immer wären, dann würden wir es tun. Dann wäre das, was wäre wenn, das erste, was ist – aber eben: Erst müsste eben… und wenn denn dann sei, dann wäre auch…

Und so gehen die Jahre vorüber, es ändert sich selten viel, die Träumereien bleiben, die Fesseln ebenso. Darauf angesprochen heisst es nur immer wieder: Ich würde ja schon gerne, aber ich kann halt nicht. Was meist eine Ausrede ist, denn meist könnte man schon, aber man will schlicht nicht wirklich, weil es Konsequenzen hätte, die man nicht tragen möchte. Und so bleibt das „Was wäre wenn“ ein bunter Traum, der ständig daran scheitert, dass „wenn dann mal“ keine verlässliche Grösse, sondern nur eine Ausrede ist.

Ist das zu hart? Das Leben lebte sich noch nie im Konjunktiv, es ist der Indikativ, der zählt. Aber: Niemand sagte, es sei leicht….

6 Kommentare zu „„Was wäre wenn“ und „wenn dann mal“

  1. Man braucht Träume – als Motivation. Ich glaube nicht, dass ich letzten Monat ohne das 15 kg abgenommen hätte. Ich bin durchaus jemand, der sich von dem Sätzen *Wir würden es sofort tun, wenn nur denn mal dies und das anders wäre. Wenn wir älter, freier, reicher, mutiger, schlänker, was auch immer wären, dann würden wir es tun. Dann wäre das, was wäre wenn, das erste, was ist – aber eben: Erst müsste eben… und wenn denn dann sei, dann wäre auch…* angesprochen fühlt. Nur versuche ich die Grundlage zu schaffen. Wenn es dann anders ist, als ich es mir vorgestellt habe, dann ist das so. Aber dann werde ich wenigstens gesünder sein.

    Mich stört vielmehr, dass man Fehler der Vergangenheit „Was wäre wenn“ nicht mehr korrigieren kann. Ich erinnere mich an einen Mann, der mit mir immer ein Stück in der S-Bahn mitgefahren ist und der mich immer ansah, als hätte er noch nie eine Frau gesehen. In den letzten Wochen habe ich viel an ihn gedacht (Seltsam, nach fast 10 Jahren) und mich ärgert es, ihn geflissentlich übersehen zu haben.

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    1. Natürlich braucht der Mensch Ziele und Wünsche, sie sind unsere Motoren, die uns laufen lassen. Sie geben die Richtung vor. Wichtig ist aber – und genau das hast du gemacht -, dann auch loszulaufen, nicht im Wünsche Haben zu verharren und über Jahre das Jetzt zu betrauern und sich an einen anderen Ort zu wünschen – der nur wäre, wenn eben etwas anderes getan wäre, das man aber nie tut.

      Ich gratuliere dir zu deinem Weg, eine wirklich grossartige Leistung!

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  2. Du triffst wieder einmal den Kern!
    Was wäre wenn – ja, du sprichst hier einen zentralen Punkt an. Die Erfahrung zeigt, dass die Tendenz besteht, sich in das Zukünftige, das Gewünschte zu versetzen, und damit im hier und jetzt das Wichtige nicht mehr zu erkennen. Ich kann dies auf jeden Fall für mich feststellen. Es ist nicht immer einfach, sich selber einzugestehen, dass im Moment, im Jetzt, nicht mehr geht.
    Sich selber zu erkennen, auch die Möglichkeiten oder eben die bestehenden Fesseln, wird am Ende am meisten helfen. Für sich selber, aber auch für das Umfeld, in dem man sich bewegt. So kann auf jeden Fall verhindert werden, dass andere durch die eigenen Fesseln gefangen werden, welche am Schluss gar nicht nötig wären.

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    1. Sich selber zu fesseln ist das Eine, andere mit in diese Fesseln einzubinden ist ein Übergriff, der in meinen Augen zu weit geht. Klar kann man sagen, man konnte nicht anders, es war keine Absicht, aber spätestens beim Erkennen desselben wäre es an der Zeit, wenigstens die Fesseln gegenüber andern zu lockern. Man könnte sich dabei sowieso fragen, wie viel Wert ein Gefangener an der eigenen Seite hat, wäre doch der Wunsch, er bliebe freiwillig – und man selber auch.

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  3. Seltsam, ich habe solche ausgeprägte Phantasien, wie Du sie eingangs schilderst, nicht.

    Aber wenn ich genauer darüber nachdenke: Ich wäre gerne „produktiver“ in meiner Freizeit, würde meine kreativen Neigungen jeden einzelnen Tag nachgehen wollen, nicht nur zu einer festgesetzten Zeit…(wie sagte ich einst so schön: Die Kreativität ist eine Seite im Menschen, die unbedingt leben will, so wie etwa die Sexualität), aber der Alltag plättet einen gewissermassen, zieht den Stachel des Innovativen, durch Müdigkeit und Zerrüttetsein.
    Dennoch wäre es möglich.

    Was schön wäre: Ohne Konflikte zu sein! All die kleinen und großen Enttäuschungen um Menschen, all ihre Versprechen und Ankündigungen, all ihr Nichstun, der Neid, der einen überfällt, die Angst, die einem zusetzt, all die Regelungen im Berufsleben, die einen quälen.
    Das wäre in der Tat wohl einfach: All das sein zu lassen! Man müsste das üben, sich nicht über Gebühr reinziehen lassen. Stop zu sagen. Zu erkennen: Schon wieder diese fruchtlosen Gedanken und sie ziehen zu lassen. Aber das würde Arbeit bedeuten! Und man will doch auf der anderen Seite einfach nur…sein, leicht, luftig, locker, schwebend. Ganz ohne Arbeit!

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