Morgen fange ich an

Ich sollte etwas tun. Ich habe es mir fest vorgenommen. Und da das, was ich tun sollte, eigentlich das ist, was ich tun möchte, ist das gar nicht so schlimm – würde man meinen. Man würde denken, ich gehe mit beschwingtem Mut und Schaffenskraft daran, zu tun, was getan werden soll und will. Doch weit gefehlt. Ich habe Termine. Überall Termine. Und habe ich keine, habe ich Projekte. Immer wieder neue. Sie werden mit Feuereifer gesucht und verfolgt. Sie fressen Zeit und Energie und freuen auch, wenn sie gelingen. Doch schon bald kommt wieder das Gefühl: Ich sollte etwas tun. Das, was ich schon lange wollte, immer wegschob, es wäre nun an der Zeit und diese reif, es zu tun.

Wie lange denke ich schon, ich möchte es tun. Wie lange studiere ich daran herum. Und was auch immer ich tue, das Eine kommt wieder als das eigentliche, das, was wirklich getan werden sollte, wollte, möchte – somit müsste. Die leisen Zweifel am Anfang, ob ich es denn auch tun könnte, wurden mit der Zeit lauter. Einfach, weil so viel Zeit verstrich und es immer noch nicht getan war. Es musste einen Grund haben, dass ich es nie tat, es nur immer wieder tun wollte. Und ich analysiere, was es war, das mich hinderte und merke: Es ist der blosse Umstand, dass ich nie angefangen habe. Und ich hinterfrage, wieso dem so ist und komme zum Schluss, dass die Ursache des Nichtanfangens darin begründet liegt, dass ich jedes Mal neue Projekte startete, die so viel Zeit und Energie kosteten, dass ich den Anfang hinausschieben musste, weil es an Kraft, Ruhe, Musse fehlte. Und mit jedem Aufschub wurden die Zweifel lauter, ob ich es denn überhaupt könnte, was wiederum die Suche nach neuen Projekten förderte. Und so biss sich der Fuchs in den Schwanz.

Was, wenn ich wirklich damit anfangen würde? Ich wäre ja ganz am Anfang und selbst wenn ich es nicht gar nicht könnte, ich könnte es wohl nicht so meisterhaft, wie ich es können wollte. Was, wenn ich es zwar täte, aber es wäre schlecht? Wenn ich es danach sähe und mich schämte, so etwas getan zu haben? Was, wenn es jemand anders sähe und mir sagte, dass es nichts wert sei, einfach nur nutz-, sinn- und alles los? Ich würde mich klein fühlen. Kleiner als klein. So klein, wie ich mich immer fühle, wenn ich denke, es nicht zu können. Oder noch kleiner? Vor allem: Wäre es schlecht, dann hätte ich es ja doch nicht gekonnt. Zwar wäre es getan, aber nicht gekonnt. Und diese Niederlage, die könnte ich nicht ertragen. Der möchte ich mich nicht stellen. Und je mehr Zeit ins Land geht, desto realistischer sehe ich sie. Aber ich weiss: Loslassen wird es mich nie. Ich will es tun. Ich muss es tun. Und ich weiss, ich werde es tun. Heute aber frage ich mich noch, ob ich eigentlich lieber mit Bleistift, Kuli oder Tintenroller schreibe. Wenn die Frage geklärt ist, habe ich noch ein paar offene Projekte. Aber dann – dann fange ich an. Vielleicht schon morgen. Ganz bestimmt.

6 Kommentare zu „Morgen fange ich an

  1. Du bist damit nicht alleine. Das kommt mir alles SEHR bekannt vor.
    Und dann klopft im Hinterkopf noch dieser Spruch von damals an: „Morgen, morgen, nur nicht heute – sagen alle faulen Leute“. Oft genug gehört und langsam aber sicher für völlig schwachsinnig befunden. Wir sind nicht faul, weil wir das HEUTE nicht machen können. Es geht einfach manchmal nicht. Manchmal ist man einfach nicht in der Lage, noch eine weitere Niederlage einzustecken. Mir geht es jedenfalls oft so. Aber langsam lerne ich, dass nach einem Anfang nicht unbedingt eine Niederlage kommen muss. Oft fühlt es sich zwar nach einem weiteren „Versagen“ an, aber wenn ich den Blickwinkel ändere (oder andere mir zeigen, wie man es aus anderer Sicht sieht) und ich erkenne, dass es gar kein Versagen war, geht es mir besser. Vielleicht hilft dir das ja auch ein bisschen weiter und macht dir etwas Mut. Alles Gute! 🙂

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    1. Positive Erfahrungen geben Mut und Kraft, weiter zu gehen. Das ist so. Ich denke, dass nicht immer die Zeit reif ist für alles. Wenn man sich die eigenen Wünsche und Träume aber bewahrt, wird sie es vielleicht mal sein. Dazu muss man aber immer auch genau hinsehen, ob man den eigenen Träumen nicht eigentlich davon rennt aus einer falschen Angst heraus. Gewisse Dinge brauchen aber ihre Zeit und die sollte man ihnen nicht verwehren. Eine Gratwanderung wohl.

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      1. Damit hast du absolut Recht! Alles braucht seine Zeit. Und manchmal verändert die Zeit die Träume. Dann passen die alten Träume vielleicht nicht mehr und wollen neuen Zielen Platz machen. Alles ist möglich! 🙂

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      2. Oh ja – plötzlich merkt man, dass man sich so sehr verändert hat, dass neue Wünsche da sind – oder aber das, was ist, plötzlich einfach passt. Da hilft nur offen bleiben und immer wieder genau hinschauen.

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  2. Ja – das „Morgen fange ich an“ kenne ich auch gut bei mir. Ich kann dir sehr gut nachfühlen. Den Schritt zu wagen ist nicht immer einfach, selbst wenn es keine realen Hürden mehr gibt, baue ich mir dann häufig neue auf, die eigenen Bedenken oder Ängste werden dann plötzlich doch grösser als der Antrieb es zu tun.
    Ich wünsche dir auf jeden Fall viel Erfolg und Energie fürs Schreiben – lass es bitte nicht los – deinen Blog lese ich immer wieder sehr gerne, bin gespannt auf mehr (und froh bin ich nicht der Schreibende 😉 )

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