Frau P.

Ich habe einen Hund. Wie es sich für Hunde so ziemt, muss der zu geregelten Stunden sein Bein heben können (er ist ein Rüde, sonst würde sie sich hinkauern, was Rüden ab und an auch tun, wenn sie kastriert sind, ich hatte mal so ein Exemplar, welches das Beinhebepinkeln nie lernte, was aber weit von meinem jetzigen Rüden entfernt ist, der von klein auf sein Bein gen Himmel streckte, anfangs beim Hochrecken umpurzelte und auf dem Rücken landete, was erneute Beinhochstreckpinkelversuche nicht vereitelt hat).

Wir leben hier in der Grossstadt (für die Schweiz ist Zürich gross, im internationalen Vergleich wäre es ein Dorf, was es von der Mentalität her auch hier ist, auch wenn gewisse die Nase in die Luft streckende Exemplare der Gattung Mensch das gerne anders darstellen würden), so dass niemand niemanden kennt (aber man weiss doch alles über die andern, weiss, welche Pyjamas sie tragen, weiss, wann sie ihre Hunde ausführen, dass ihr Freund jedes Wochenende kommt, sie sich gerade getrennt haben, das Kind endlich gekommen ist und die Frau noch immer kugelt – und es soll mir niemand sagen, das sähe nur ich, weil  mein Schreibtisch so steht, dass ich alles im Blick habe und das im Blick befindliche auch förmlich aufsauge, die andern wären nicht im Bild).

Eines Tages gehe ich also mit besagtem Hund raus, er hebt in seiner mühsam erlernten Manier sein Bein, pinkelt sich dabei nicht mal ins Fell (oft hebt er das Bein so hoch, dass das Pinkeln nur über sein eigenes Fell runter passieren kann – Gravitationskraft lässt grüssen) und wir machen uns wieder auf den Heimweg. Schon von weitem sehe ich eine ältere Dame, sie hat etwas Distinguiertes an sich (das Wort distinguiert passt so schön zu ihr, ich hätte ja herausgeputzt gewählt), goldene Ketten, toupierte Haare. Sie sieht meinen Hund, ein Lächeln zeigt sich auf ihrem Gesicht.

Kaum ist sie in greifbarer Nähe (damit ist die Distanz zwischen ihren Armen und meinem Hund gemeint) bückt sie sich nieder, krault den vor Freude sich fast in einen Salto werfenden Hund, spricht mit ihm, ich sehe nur noch den gebeugten Rücken und die von hinten toupierten Haare, warte geduldig, dass sie sich wieder aufrichtet. Das tut sie in der Tat irgendwann, schaut mich an, entschuldigt sich, findet, Tiere seien aber auch zu toll, vor allem, wenn man Menschen kennt (das denke ich auch ab und an, frage mich dann aber, ob ich das so sagen kann und ob es nicht zu abgedroschen und pessimistisch klingt) und stellt sich als Frau P. vor (ich schreibe den Namen aus Personenschutzgründen nun nicht aus, mir ist er natürlich bekannt, da besagte Dame im Haus neben mir wohnt, was nicht heisst, dass ich den Namen daher kenne, aber sie hat ihn mir ja genannt).

Fortan sehe ich Frau P. öfters, stets begrüsst sie erst meinen Hund, den sie seit dem ersten Treffen „Schätzeli“ nennt (was umso verwunderlicher ist, als sie Deutsche ist und –li eine typische Schweizerendung), danach mich. Ich trage es ihr nicht nach, zumal ich meinen Hund selber als unwiderstehlich und zuckersüss empfinde und ich es des weiteren einfach nur toll finde, in dieser so anonymen Grossstadt nun Frau P. zu kennen, die sich spontan als Hundesitterin angeboten hat und die bei jedem Treffen ein Lächeln auf mein Gesicht zaubert.

7 Kommentare zu „Frau P.

  1. Mein erster Hund war ein Dornacher Westhighlandterrier, ich bekam ihn als er bereits 12 Jahre alt war und importierte ihn ins beschauliche Schwabenländle. Er hatte so ein drolliges Wesen und ich war erstaunt mit wie vielen und vor allen Dingen unterschiedlichsten Menschen fortan ins Gespräch kam. Seit diesem kleinen Schweizer Hund habe ich eine geheime Schwäche für `s Switzerlandle:)

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  2. Kurzer fürchtet sich vor jedem einzelnen Hund im Dorf, kennt jeden beim Namen und nach einem zufälligen Zusammentreffen, bei dem er natürlich unbedingt auf meinen Arm musste, erklärt er mir anschliessend des langen und breiten wie der Hund heisst, wem er gehört, dass es ein ganz Lieber sei der niemals, niemals einem kleinen Jungen etwas zuleide tun würde und dass er wenn er näher käme nur „Hallo“ sagen wolle und sowieso und überhaupt.
    Hunde sind faszinierend und furchterregend gleichzeitig 🙂

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    1. Ich hatte ja immer Hunde, meist auch grosse. Trotzdem spüre ich fremden Hunden gegenüber Respekt, teilweise auch fast Angst. Vorsicht ist immer gut, so lange man dabei nicht falsch reagiert. ich traf mit meinem wirklich kleinen und harmlosen Hund mal auf zwei Mädchen, so gegen 12 Jahre alt. Eine davon hatte Angst vor dem Hund und fuchtelte immer mit den Händen in der Luft und rannte auf den Hund zu (eigenltich hätte sie ihn gerne gestreichelt), wieder weg, wieder hin, wieder weg. Der Hund wollte natürlich mitspielen…Ich hielt den Hund so kurz ich konnte, weil der Wunsch, ihn zu streicheln so gross war, irgendwann musste ich aber auch abbrechen und sagen, dass das so nix wird.

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      1. Wir haben wochenlang mit einer Dame des kantonalen „Prevent a bite“-Programmes (das sind Leute, die mit ihren Hunden in die Kitas, Kindergärten und Schulen gehen, um den Kindern zu zeigen wie sie gefahrlos mit Hunden umgehen können) üben dürfen. Wenn die Angst mal da ist (Kurzer wurde zwar nie gebissen aber hatte in kurzer Zeit mehrere „blöde“ Hundebegegnungen, die ihn nachhaltig ängstigten) ist es sehr schwierig, sie wieder loszuwerden. Respekt vor Hunden halte ich hingegen für sehr wichtig.

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