Sexismus – Ausbeutung der Frau

Kaum sieht man ein eher freizügiges Bild einer Frau oder eines, das gewisse Körpermerkmale deutlich operiert zeigt, geht ein Aufschrei durch die Reihen der emanzipierten Schreiberinnen von Kolumnen in Zeitungen und Zeitschriften. Es wird angeprangert, dass die Werbeindustrie sexistisch sei, dass der Körper der Frau ausgebeutet werde, dass Assoziationen heraufbeschworen würden, die zu anzüglich seien, da sie die Frau zum Sexobjekt degradierten. 

Mir sind diese Plakate nie wirklich aufgefallen. Vielleicht schaute ich mal hin und fand die Kleidung schön, den Bikini hässlich oder die Figur gut – oder nicht. Meistens machte ich mir kaum Gedanken darüber. Bin ich oberflächlich? Ignorant? Weil ich mich als Frau nicht degradiert fühlte durch solche Instrumentalisierungen von Frauenkörper, die sich noch dazu freiwillig angeboten haben, so abgelichtet zu werden zu Zweck, das damit beworbene Produkt an den Mann und die Frau zu bringen? 

Oft wird das Argument nachgereicht, dass diese Bilder junge Mädchen zu falschen Körperidealen führten, somit Magersucht und sonstige Essstörungen befördert würden. Noch nie war die Menschheit so dick (durchschnittlich) wie heute… Magersüchtige gibt es, Esstörungen nehmen zu. Doch sind sie wirklich solchen Bildern geschuldet? Dass eine Esstörung eine Krankheit und kein Nachahmungswahn ist, ist hinlänglich bekannt. Sie hat psychische Ursachen und es ist ein Suchtcharakter, der dahinter steckt. Diese Bilder mögen einen Schritt auf dem Weg in die Krankheit ausmachen, aber sie sind weder Grund noch Ursache und schon gar nicht ausreichende Erklärung. 

Was also ist so problematisch an diesen Bildern? Sie werden freiwillig gemacht von Frauen, die sich ihren Traum als Fotomodell zu arbeiten erfüllt haben. Sie werden von Fotografen gemacht, die sich ihren Traum von ästhetischen Bildern und was sie und die Werbeindustrie dafür halten erfüllt haben. Und sie werden gesehen von Menschen, die sich frei entscheiden können, ob sie das Produkt aufgrund dieser Werbung kaufen wollen oder nicht.

Wo bleibt eigentlich der Aufschrei beim Cola Zero Mann, der mit nacktem, muskulösem Oberkörper rumstolziert? Wie viele Männer sehen wirklich so aus? Wird der Ärmste instrumentalisiert, um unterbediente Hausfrauen beim Cola-Genuss zu erfreuen und dieses damit mehr zu verkaufen? Oder ist das ganz was anderes, weil man sich nun mal auf Frauen und ihre Rechte konzentriert und der Rest schauen kann, wo er bleibt? Chippendales und Callboys erwähnen wir hier gar nicht mehr, das ginge in die selbe Richtung. Auch sie kaum erwähnt bei der dahingehenden Diskussion um Feilbieten von Körpern. 

Vielleicht verstehe ich es einfach nicht. Wo genau liegt das Problem?

24 Kommentare zu „Sexismus – Ausbeutung der Frau

  1. Es ist nur eine Neiddebatte … gegen das eigene Geschlecht. Und ich kenne genug Damen, die sich in der oben beschriebenen Form gerne „ausbeuten“ lassen. Der Begriff Sexismus ist ihnen allerdings fremd.

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    1. Jeder präsentiert gerne seine Stärken. Die Frauen sind meistens sehr hübsch (nach heutigem Massstab) und sie setzen das ein, verdienen so ihr Geld. Andere haben Intellekt und setzen den ein. Wer würde da aufschreien? Und damit sage ich nicht, dass die, welche gut aussehen dumm sind und auch nicht, dass die, welche intelligent sind, Vogelscheuchen (nicht dass mich jemand noch darauf behaftet 😉 ).

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  2. Ich finde deinen Artikel gut. Klar kann Frau sich provoziert fühlen, aber dann stellt sicht die Frage warum. Ist sie zuwenig selbstbewusst, dass sie solche Bilder nicht verträgt, oder gar neidisch auf die Figur, das Aussehen des Models oder oder auf dessen Jugend? Da kommt bei mir immer wieder mein alter Spruch in den Sinn: „Eine emanzipierte Frau oder eine Emanze – das eine ist ganz und gar eine frau, welche sich in der heutigen Welt durchsetzen kann durch ihre Persönlichkeit und Können und das zweite….“ – naja das will ich mal lieber nicht beschreiben. Dabei möchte ich hier nicht verschweigen, dass es noch einiges zu tun gibt in Sachen „Gleichberechtigung“ – vor allem in Sachen Entlöhnung.
    Auch beschreibst du ja denen Gegenpart der jungen attraktiven Herren in der Werbung, welche auch eher ein Sixpack preisgeben als einen Bierbauch.
    Vielleicht sollte man sich generelle öfters mal selbst hinterfragen, wieso man sich über etwas im Leben so aufregt? UND ob dies überhaupt sinnvoll ist?

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  3. Findest du wirklich, dass viel aufgeschrien wird? Sehe ich eigentlich nicht so, da die Bilder wirklich zahlreich sind – da müsste ja jeden Tag und überall geschrien werden. Wenn ich mal Aufschreie gehört habe, dann ging es doch häufig um die Text-Bild-Kombi. Wenn zum Beispiel (wie bei der Zigarrenwerbung um die es heute geht, oder?) noch ein Spruch dabei stand, der sofortige sexuelle Verfügbarkeit signalisiert hat. Oder aber wenn gar die Gleichberechtigung in Frage stand, wie beispielsweise hier: http://onyxgedankensalat.files.wordpress.com/2012/09/647610973-223×300.jpg
    Und dann finde ich die Einwände auch absolut gerechtfertigt.
    Zudem ist Sexismus ja auch nicht gleichbedeutend mit Ausbeutung. Es geht auch um Rollenzuweisungen aufgrund des biologischen Geschlechts. Aber sicher hast du auch meinen Blogeintrag gelesen und ich will mich nicht wiederholen 😉

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    1. Ich habe deinen Blog nicht gelesen, würde ich aber gerne tun – hast du mir den Link?

      Ich gehe mit dir einig, dass Geschlechterbilder durch Werbung transportiert werden können. Frau am Herd, Mann im Stall. Das sind Klischees, wie sie in allen Bereichen vorkommen. Nun kann man sagen, dass Klischees gefährlich sind, weil sie verallgemeinern, weil sie in Bilder in Köpfen zementieren, auch schon überholte oder solche, die man gerne überholen möchte. Aber die Bilder in der Werbung werden ja benutzt, um Dinge zu verkaufen. Nun müsste man sich fragen, wieso ein solches Bild genutzt wird, um ein Produkt an den Menschen zu bringen. Es scheint zu ziehen. Ist also das, was man so gerne propagieren möchte, noch nicht eingeschlagen in den Köpfen? Und wieso? Und was ist an der Frau am Herd so schlimm? Was an der Frau im Bikini?

      Emanzipation und Gleichberechtigung hat in meinen Augen etwas mit Gerechtigkeit zu tun. Es müssten beide gleiche Rechte haben und gleiche Pflichten. Davon sind wir weit entfernt, immer noch. Aber wir haben uns selber auch noch weiter entfernt. Frau muss heute – will sie modern sein – gewisse Dinge tun, die man mit der Emanzipation gleichsetzt. Man sieht die Frau am Herd als minderwertig, als überholt, als von gestern, unterdrückt. Man drückt ihr damit einen neuen Stempel auf und das passiert nun neu nicht mehr von den Männern, sondern aus den eigenen Reihen und mit nicht minder machtvollen und unterdrückenden Methoden. Sehr subtil.

      Die Hoffnung bleibt, dass die ganze Sache wie ein Pendel funktioniert. War es früher zu sehr auf der einen Seite, ist es nun zu sehr auf der anderen… irgendwann pendelt es in der Mitte ein und der Weg der Mitte ist seit Aristoteles der, welcher zu suchen ist und Glück bringt. Der Buddhismus sagt dasselbe.

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  4. Ergänzung: Bei den Männern schreit genau aus diesem Grund auch niemand. Halb(nackt) zu sein und hübsch auszusehen ist nicht ihre klassische Rolle, sondern etwas relativ Neues.

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  5. Hier der Link: https://laralaune.wordpress.com/2012/08/13/geschmacklos-oder-sexistisch-olympia-bildergalerie-auf-focus-online/
    Du stellst die Frage nach Huhn oder Ei – prägt die Werbung die Gesellschaft oder prägt die Gesellschaft (in dem Fall die Kundennachfrage) die Werbung? Ich denke, sie prägen und verstärken sich gegenseitig. Die Werbung lässt sich allerdings so viel einfacher verändern als die Gesellschaft.
    Deshalb wünsche ich mir mehr andere Bilder in der Werbung. Nackte Hübsche, egal ob männlich oder weiblich, stören ja im Prinzip wirklich nicht. Aber ich würde mir mehr Variation wünschen anstatt einfach nur die Bedienung alter Geschlechterklischees. Die Abbildung der gewünschten Rollenfreiheit eben – in ihrer ganzen Vielfalt. Obwohl – oder vielleicht auch gerade weil – sie noch nicht real umgesetzt ist. Genug kreative Leute müsste es in der Werbebranche doch eigentlich geben…

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  6. Dieser Artikel frohlockt ja geradezu nach Widerspruch. Ich fand den aktuellen Blog von Frau Binswanger http://blog.tagesanzeiger.ch/blogmag/index.php/2891/die-bimbo-falle/ sehr gelungen und differenziert. Ein Abschnitt Deines Artikels stößt sehr unüberlegt auf: „Traumberuf Model“, „Fotografen und Traum ästhetischer Bilder“, „freie Entscheidung im Konsum“. Hierzu ein paar Korrekturvorschläge: Kaum ein Model hat nicht mit Essstörungen zu kämpfen. Außer für Supermodels sind die Gehälter eher mau, sexuelle Übergriffe müssen Models regelmäßig abwehren und ab Mitte 30 geht die Karriere zu Ende. Nicht wenige Fotografen realisieren auch ihren „Traum“ von der Erniedrigung von Frauen. Und was tagtäglich insbesondere auf junge Menschen an Konsumterror einprasselt und wie wir sein sollen, schränkt unsere Freiheit durchaus ein. Der Grat ist in der Tat manchmal schmal zwischen Sexismus und Koketterie mit Erotik. Nicht selten ist es einfach nur billig, ungeachtet der Geschlechterrollen. Und die Übergänge sind fließend zu roh, grob und menschenverachtend. Frauen sinnbildlich mit Zigarren zu vergleichen und die Abwechslung zu preisen unterstellt in gewisser Weise ja schon, dass Frauen frei verfügbar und leicht zu haben wären, sich auch nicht daran stören, ausgetauscht zu werden. Interpretiert man(n) da zuviel hinein? Mann kann. Gäbe es diese Werbung mit drei Männern in Badehose, die Plattheit wäre noch offensichtlicher. Denn Frauen würden eher auf adrett (in welcher Form auch immer, von mir aus offener Hemdknopf) gekleidete Männer, vielleicht mit Rose in unterschiedlicher Farbe in der Hand anspringen, rein werbetechnisch gesehen. Oder?
    Werbung mit Sex-Appeal? Sehr gerne, wenn es einen Bezug zum Produkt gibt. Gerade neulich ist mir diese Werbung aufgestoßen (naja, nur der Bezug):
    http://1.bp.blogspot.com/-Wct4V_YZAVI/UFSO4UgbWAI/AAAAAAAAABI/28wNlOfzfYg/s1600/InterBOOB+2012-09-14+14.04.26.jpg . Paradebeispiel für Sexismus. Die Zeiten, offen degradierender Werbekampagnen, sind zwar weitestgehend vorbei, aber Tendenzen, ob Frauen, Männer, Menschen anderer Hautfarbe oder Minderheiten betreffend, keimen immmer wieder auf. Noch ein kurzes Statement zu Essstörungen: Eine Perversität liegt ja darin, dass die Lebensmittelindustrie uns ständig mehr verkaufen will, wir bei dem ganzen Verzehr aber in den Werbespots schön schlank bleiben sollen. Die Yogurette-Frau knabbert natürlich nur an einem Riegel. Die harte Wahrheit ist, die Mädchen hängen über der Kloschüssel und kotzen die ganze Tafel wieder aus. Heute formuliere ich mal drastisch!
    Heute hast Du nicht wie sonst, schnell und dabei sehr gut gestrickt. Da sind ein paar Laufmaschen drin. ( Stricken geht ja in einer gender-Debatte eigentlich gar nicht 😉 )

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    1. Der Bezug zur Essstörung war kurz und konnte so nicht ausführlich und hinreichend sein. Das Thema ist zu komplex. Ich denke aber – nur in Kürze – es ist zu kurz gegriffen, dieses Problem den Werbungen anzukreiden. Das nähme der Krankheit die Tiefe und würde ein zu oberflächliches Bild zeichnen. Mädchen sieht dünnes Model, will so sein und ist essgestört? Diese Sicht würde den Blick zu sehr von wirklichen Problemen ablenken wie immer grösserer Leistungsdruck, immer weniger Halt im Aussen wie im Innen durch die Art, wie sich unsere Gesellschaft entwickeln und wie auch Eltern in ihr überfordert sind. Wie sollen dann deren Kinder noch in sich Halt finden? Der Wunsch, dann dünner zu sein, mag durchaus einer kurzzeitigen Nachahmung eines perfekten Ziels, wie es diese Models zu sein vorgeben, entspringen, die ganze Krankheit wird nicht darin ihren Grund haben.

      Auch hier die Frage nach Huhn und Ei: Sind die Models Model, weil sie esssgestört sind, also waren sie es schon vorher, oder wurden sie es erst, als sie Model wurden? Ich tendiere schwer zu Variante 1. Klar gibt es immer Einzelfälle und es gibt sogar gesunde Models, die nicht an einer Essstörung leiden, sowie es durchaus auch schlanke und sogar dünne Menschen gibt, die das nicht tun. Leider nimmt die Zahl der Kranken zu – wie die der Dicken auch, welche aber genau so unter einer Essstörung leiden wie die Magersüchtigen und die Bulimikerinnen – wo haben die ihre auslösenden Plakate? Es ist nur die andere Seite der Medaille und nur schon die zeigt: die Ursachen sind woanders.

      Model als Traumberuf zu kurz gegriffen? Weil sie ausgebeutet werden und sich männlichen Phantasien aussetzen? Dann wäre Model so etwas wie Prostitution einer anderen Art – dieselben Probleme? Die Mädchen gehen nur aus eigener Not in diesen Beruf, um sich dann ausnutzen zu lassen? Auch da habe ich eine durchaus andere Meinung und weiss von verschiedenen Fällen, dass dem nicht so war. Der Lohn bei den nicht Topmodels mag eher gering sein, aber wieso machen sie diesen Beruf? Ein nicht Bestsellerautor verdient auch kaum was – bis gar nichts – ist er nun auch ausgebeutet? Das geht jedem so, der einen Weg geht, der eher persönlichen Neigungen denn ökonomischen Zwängen folgt. Model ist noch immer Traumberuf vieler Mädchen und Frauen. Dass der Weg steinig ist, nicht immer und sofort das grosse Geld winkt, ist mittlerweile hinlänglich bekannt. Kaum je werden sie auch gezwungen, weiter zu machen, von Casting zu Casting zu pilgern. Es ist meistens (die anderen Fälle gibt es sicher, doch die gibt es leider in vielen Bereichen mit sogenannten Eislaufeltern oder anderen Zwangsfaktoren) freie Wahl, weil man einen Traum hat.

      Und zu guter Letzt: Nehmen wir an, wir schaffen diese Werbung ab. Was ist das nächste, das nicht gut ist? Filme? Sie portieren Bilder, die nicht real sind. Auch die Schauspielerinnen sind oft in ähnlichen Kategorien angesiedelt wie die Männer und Klischees sind da zu Hauf vertreten. Rosamunde Pilcher und andere ähnliche Literatur folgt hinterher.

      Kann man Menschen wirklich schützen und auf einen gesunden Weg führen, das Miteinander in ein wertschätzendes überführen, indem man alle äusseren bildlichen und künstlerischen Störfaktoren eliminiert? Ich denke nicht. Der Mensch krankt im Innen, weil er im Aussen den Halt verloren hat. Da wäre anzusetzen. Am System. Das andere ist Beigemüse. Sich darüber aufzuregen in meinen Augen die Energie falsch eingesetzt. Würden die Bilder nicht ziehen, wären sie längst weg von den Plakatwänden. Also ist in unseren Köpfen noch zu viel anderes. Wenn Frau sich ihrer Rolle und Position selber sicher ist, wird sie sich an einem Bildklischee nicht mehr aufregen müssen, weil sie weiss, wer sie ist, was sie kann und welchen Wert sie im Leben hat – denselben wie der Mann – wie ihn jeder Mensch per se haben sollte. Eine Illusion? Ich hoffe nicht.

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      1. So, ich könnte jetzt so tun, als müsste ich heute tagsüber arbeiten. Geht aber erst um 17 Uhr los und mir brennen die Antworten unter den Fingernägeln, deshalb:

        Diesmal ist das ja hier eine sehr lebhafte Debatte. Zwei wesentliche Gründe aus meiner Sicht:
        1 Wir geraten an die Wurzeln, was Mann und Frau sein für jeden individuell bedeutet, also wie man/frau sich auch selbst definiert.
        2 es werden eigene Rezeption und Wirkung auf andere, u.a. Jugendliche verwechselt.
        Erst nochmal zum Thema Essstörung: natürlich sind die Ursachen vielfältiger. Doch man muss sich fragen, warum nehmen die Störungen zu? Eine genaue Analyse dazu habe ich nicht parat. Aber es leuchtet eigentlich ein, dass die Widersprüche zwischen den ständigen Aufforderungen der Werbung, mehr zu essen (die USA sind nicht so weit entfernt, XXL-Packungen, es geht um Rendite, Nestlé, Kraft, Danone) und dem von Models vorgegaukelten Schönheitsideal eine Rolle spielen. Übrigens ist der Umkehrschluss, die Ursachen für Essstörungen lägen eher tief in der Familienstruktur natürlich ein mitunter oberflächlicher Vorwurf an die Eltern. Ich kenne einige Fälle, in denen Eltern und Geschwister hilflos da stehen, da diese Muster überhaupt nicht zutreffen.
        Und das Schönheitsideal. Ich bin hier wohl mit Biostratus und Dir d’accord, dass ein Schönheitsideal nicht dem Motto entspricht „man muss sich nur in seiner Haut wohlfühlen“. Schönheitsideale entspringen zum einen biologischen Mustern, zum anderen haben sie auch mit einer gewissen Leistung zu tun. Sie repräsentieren dann, dass jemand sich um sich kümmert, gesund ist, etwas aus sich macht. Das kann ich voll unterschreiben. Das entspricht aber nicht den Mustern, die Models in der Regel erfüllen müssen. Warum das so ist? Der Weisheit letzter Schluss habe ich auch nicht parat (warte auf eure Antworten). Müssen sie so dünn sein, weil sie im Fernsehen nicht ganz so dünn wie real erscheinen? Das süße Kindchenschema? Oder Reliquien aus der Hoch-Zeit der Unterdrückung. Eine schöne Frau soll wenigstens leiden, wenn sie Männer in ihren Bann zieht (gut, das ist vielleicht etwas weit hergeholt, oder?).
        Gegen ein Schönheitsideal anzulaufen ist, wie gegen Windmühlen kämpfen, aber falsche Schönheitsideale zu kritisieren aus meiner Sicht wichtig. Ich als Mann bin der Letzte, der schöne Frauen von Werbeplakaten verbannt sehen will. Abschaffen will ich also nicht, aber korrigieren (Don Quichote wohnt doch in mir ;-)). Vielleicht will Lara Laune ja abschaffen ;-). Nein, ernsthaft, ich bin gespannt auf alle eure Antworten, Cosima, Lara, Biostratus.
        Aber der Bogen spannt sich noch weiter. Denn die Wurzeln sind in der Tat am spannendsten.
        Werbung, Filme abschaffen, kleines nettes nebenwichtiges Thema, würde Biostratus sagen.
        Wollen wir den Unterschied zwischen Mann und Frau abschaffen (hm, Lara)?
        Müssen, sollen, wollen Frauen schön sein? Ist das eher (nicht allein) ein weibliches Attribut? Jetzt sind wir endlich bei der Frage Ei oder Henne. Bevor ich hier aushole, warte ich euer Feedback ab.
        Wir als Männer sind da aktuell doch etwas in der Defensive und möchten uns verteidigen. Die Frage ist, ob wir unsere Stellungen halten können. Schlägt das Pendel zu weit Richtung Feminismus aus, wie Cosima schreibt. Hierzu zwei Leseanregungen: http://www.spiegel.de/kultur/literatur/soziologin-illouz-macht-euren-kinderwunsch-nicht-von-liebe-abhaengig-a-790592.html
        und mein älterer Artikel dazu: http://zeitspiegel.wordpress.com/2011/10/31/die-soziologin-eva-illouz-im-spiegel-interview-eine-kritische-rezension/
        Entziehen sich Männer unter dem Druck der Emanzipation?

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      2. Wir kommen langsam zur Frage: Was ist Geschlecht? Es gibt in meinen Augen mindestens zwei Arten Geschlecht: Das biologische und das kulturelle. Das biologische Geschlecht bringt schon mal verschiedene Anlagen mit sich. Frauen kriegen Kinder, die Natur richtete es mal so ein, dass sie durch die Milch auch eher mit der Aufzucht befasst waren. Die wissenschaftlichen Entwicklungen haben das korrigieren können, künstliche Babynahrung kann Muttermilch ersetzen und die Aufzucht der menschlichen Nachkommen kann (theoretisch) aufgeteilt werden. Der Mensch selber scheint mit dieser Entwicklung (theoretisch) einverstanden, gleiche Rechten und Pflichten für alle, offene Rollenmodelle, jeder, wie er mag. Irgendwo scheint es doch zu harzen, niemand weiss mehr so genau, was denn nun gut und richtig ist, viele sind überfordert mit der plötzlichen Freiheit und den damit verbundenen Ansprüchen, sie auch zu nutzen. Frauen sind damit 3-4-… -fach belastet, Männer sehen sich plötzlich in der Konkurrenz an verschiedenen Orten und kennen ihre nun richtige Rolle auch nicht mehr. Und so sind wir von der biologischen schon in der kulturellen angelangt:

        Wie muss ein Mann sein, wie eine Frau? In den Köpfen sitzen immer noch sehr klare Bilder. Es gab in den USA mal einen Fall an einer Uni: Ein männlicher Student hatte einen sehr weiblichen Gang. Mitstudenten lachten ihn erst aus und brachten ihn schliesslich um. Der Gang störte ihr Bild vom Mann dermassen, dass es eine Gefahr darstellte. Geschlecht wird hier zur Norm: Verlässt etwas diese Norm, wird es zur Bedrohung. Bei aller Toleranz, die wir an den Tag legen, sind in uns noch so viele Muster, die nicht einfach mit ethisch-moralischen Normen zu korrigieren sind.

        Was also ist zu tun? Wo ansetzen?

        Zum Thema gefallen wollen: Schaut man ins Tierreich (nun kriege ich wohl gleich eine Korrektur von Biostratus, der das sicher besser weiss, ich hatte Fensterplatz in Bio) plustern sich die Männchen auf. Sie sind die schöneren, grösseren Wesen und wollen den Weibchen imponieren. Diesen Plusterwahn sieht man auch im Menschenreich, doch scheint hier die Frau die Rolle derer zu haben, die gefallen will, sich rausputzt und mit Federn schmückt. Biologisch? Kulturell? Eine Mischung aus beiden? Zumindest sitzt es tief. Welche Frau steht nicht bei einem ersten Date vor dem Kleiderschrank, findet die Frisur nicht gut, weiss nicht, was mit Schminke anfangen? Wären wir wirklich tief drin der Meinung, dass diese Darstellung weiblicher Reize verfehlt und der heutigen Zeit nicht mehr angemessen wären, dann würde man sich in Sack und Asche kleiden, schliesslich zählen die inneren Werte. Vermutlich ist das ein Evolutionsding, dass man sich das beste Männchen zur Erhaltung der eigenen Gene erobern muss und dazu die nötigen Waffen einsetzt? Gibt es einen Ausweg? Wenn, dann sicher nicht in der Abschaffung von Plakaten und Filmen.

        Zum Thema Essstörung: Ich denke nicht, dass die Eltern schuld sind, nein. Es gibt Familien, bei denen ein Kind betroffen ist, die anderen nicht. Es gibt auch solche, bei denen alle betroffen sind. Vermutlich ist Sucht wie Krebs auch in den Anlagen eines jeden Menschen vorhanden, bricht aber nur bei einigen aus. Nach welchem Muster, aufgrund welcher Kriterien? Keine Ahnung. Sucht ist aber – so wie ich das sehe und verstehe – eine Reaktion auf eine Überforderung. Spannungen werden nicht ausgehalten und müssen abgebaut werden, die Frustrationsgrenze ist zu tief, so dass man zu entspannenden Mitteln greift. Das können Essen, Alkohol, Drogen sein…Hauptsache die Wirkung passt. Viele Süchtige geraten auch von einer Sucht zur nächsten oder leben mehrere nebeneinander aus. Esssüchtige werden Tabletten abhängig oder greifen zu Alkohol, Alkoholiker zu Drogen…. Diese Suchtverschiebungen zeigen mir persönlich, dass es eben nicht ums Essen an sich geht, sondern eher um einen Stoff, der bringt, was man braucht: Spannungsabbau.

        Essen ist aber unabhängig davon eine schwierige Angelegenheit. Das immer grösser werdende Angebot in unendlicher Menge schaltet die natürliche Grenze dessen, was man wirklich braucht, nach und nach aus. Essen wird zur Rechenaufgabe statt zur natürlichen Lebenserhaltung. Genuss wird höher bewertet als Bedarf und Trost, Belohnung und Kompensation lösen den Hunger ab. Auch das – denke ich – sind keine Resultate der Werbung, die springt nur auf diesen Zug auf und instrumentalisiert ihn zu ihren Gunsten.

        Das Thema ist weit, ich bin wohl vom Hundertsten zum Tausendsten gekommen, ob noch ein roter Faden drin ist, weiss ich selber nicht mehr. Was aber heisst das nun für die Werbung? Sind Bikinidamen untragbar und ausbeuterisch? Die Botschaft der hier erwähnten Zigarrenwerbung (http://blog.tagesanzeiger.ch/blogmag/wp-content/uploads/2012/10/bmDi11.jpeg) ist sicher fragwürdig. Frauen als Objekte, die man nach Bedarf auswechseln kann, hinzustellen, ist ein Griff unter die Gürtellinie. Allerdings wurde diese Werbung mittlerweile wohl so lange diskutiert, das Bild überall gezeigt, dass nun jeder die Zigarrenmarke kennt. Ziel erreicht. Ob das beabsichtigt war? Provokation ist kein neues Werbemittel….

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  7. Ich finde deine Sicht eigentlich ganz nüchtern und gut.
    Generell finde ich es wird zu viel geschrien in unserer Welt. Ist hier gar ein Vergleich zu den aktuellen Filmchen oder Karikaturen zulässig? Auch in unserer „westlichen“ Welt gibt es immer wieder Themen die aufschreien lassen. (Leider sind es selten die wirklich dringenden). Mir ist persönlich ganz egal was die Werbung liefert. Ausser natürlich ich wäre auf einer Werbung drauf – wobei dann würde niemand das Produkt kaufen. Möchte ich das Produkt – kaufe ich es (wenn es im Budget drin liegt).
    Ausbeutung gehört zu unserer Natur. Wer sich selber ausbeuten lässt ohne die entsprechenden Möglichkeiten, die unsere Gesetzte mehr oder weniger bieten, zu nutzen – ist der selber schuld? Ich möchte nichts verharmlosen – überhaupt nicht. Leider gibt es in unserer Gesellschaft immer Ausnützer und Ausgenutzte – egal wo.
    Da schau ich mir doch lieber ein schönes Bild eines Pfaues an – der kümmert sich wohl nicht ob ich dies jetzt wegen den schönen Federn anschaue oder wegen Gelüsten – obwohl er die Federn ja nur wegen dem Thema Sex hat. Ist das beim Ferrari eigentlich auch so? 😉

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    1. Ein weiter Weg vom Pfau zum Ferrari 🙂 – Aber beide haben natürlich Symbolcharakter und werden oft auch eingesetzt (die Federn immer, das Auto hat den Ruf), um dem anderen Geschlecht zu imponieren, sich selber zu verkaufen.

      Das Werbemittel Einfluss auf das Kaufverhalten haben, ist erforscht. Wie gross dieser Einfluss ist, weiss ich nicht. Er scheint aber gross genug zu sein, da doch immer Unsummen investiert werden. Der Mensch scheint diese Traumbilder sehen zu wollen und sie lösen in ihm etwas aus, das zum Konsum anregen – in der Hoffnung, ein Stück von diesem Traum mitzuerleben? Ästhetik ist eine kulturelle Angelegenheit. Jede Zeit hat ihr Schönheitsideal und ihre Kunst. Das wird man nicht mit Gewalt umstossen, man kann aber sicher daran arbeiten. Das geht aber meistens besser, indem man ein neues portiert als dass man das herrschende diskreditiert.

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    2. Hallo Biostratus. Ich schätze Deine Kommentare hier in der Regel sehr. Offenbar setzt Du, wie Dein Nickname andeutet, an der biologischen Wurzel an. Aus der Richtung komme auch ich eher. Biologie, Gerechtigkeit und Humanismus, ein sehr komplexes Thema. Dein aktueller Kommentar schießt etwas über das Ziel hinaus. Ein Totschlagargument in Diskussionen ist immer Hysterie. Die Leute schreien und reagieren emotional, sind nicht Ernst zu nehmen. Dieses Argument zieht übrigens weder in den Auseinandersetzungen der Geschlechter noch der Religionen. Die Konsequenz in Konflikten, in denen eine Seite nicht Ernst genommen oder abgekanzelt wird, ist leider, dass dann wortwörtlich die Keule ausgepackt wird. Wir sind hier wohl alle Akademiker, schön!? Werbung prallt an uns ab. Wirklich? Die sich ausbeuten lassen, sind immer die Blöden. Gut so?
      Welches sind denn aus Deiner Sicht die dringenden Themen, die offenbar vernachlässigt werden?

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  8. Zeitspiegel, ich bin nicht Biostratus (offensichtlich), möchte aber noch etwas zur Ausbeutung sagen. Ich denke nicht, dass nur die Blöden sich ausbeuten lassen. Ausbeutung kann jedem passieren und passiert in immer mehr Bereichen des (Arbeite-)Lebens. Der Arbeitsmarkt mit zu viel Arbeitnehmern und zu wenig Stellen gepaart mir der Profitgier der Unternehmen macht den Arbeitnehmer zum Objekt von Ausbeutung, der Vogel, der entweder bleibt und frisst oder geht und stirbt.

    Der Überlebensdruck lässt einen kuschen, weil man von irgendwas dieses Leben finanzieren muss und ein anderer die Stelle macht, wenn man selber aufbegehrt. Grossunternehmen streichen immer mehr Leistungen, immer weniger Arbeitende müssen dieselbe Arbeit verrichten, so dass der Umsatz steigt. Der Mensch wird ausgebeutet, ja. An vielen Punkten. Und es ist nicht der dumme Mensch. Ich denke aber nach wie vor, es ist ein Problem des Systems und keines der Modelindustrie per se. Ein paar Bikinis von den Wänden nehmen wird das Problem kaum lösen. Nun kann man natürlich sagen, irgendwo muss man anfangen. Trotzdem denke ich, das ist der falsche Ort. Aber vielleicht meldet sich Biostratus ja noch.

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  9. Hallo Zeitspiegel. Bin deiner Meinung was die Komplexität angeht – bei der Diskussion bezüglich Sexualisierung in der Werbung resp. Mode Branche allerdings nicht ganz. Cosima1973 hat aus meiner Sicht die Problematiken und ihr Verständnis davon sehr gut dargestellt.
    Ich persönlich finde das Thema Ausbeutung interessanter im Kontext, dass unser Reichtum, unsere Standards, dass die 1. Welt immer noch darauf basiert, dass die 2. und 3. Welt (weiss nicht wie besser ausdrücken) massiv ausgebeutet wird, inklusive der Natur. Dass unsere Luxusprodukte aus Produktionen stammen, die gelinde gesagt keine unserer Richtlinien erfüllen. Da finde ich es störend, dass wegen Plakaten oder der Werbung generell so diskutiert wird, das andere wirklich Ausbeuterische ignoriert wird.
    Ein Beispiel: Ein knapp bekleideter Mann mit Iphone 5 löst Diskussionen wegen Erotik oder Sexismus in der Werbung aus – wie aber das Iphone produziert wird, quasi in Zwangsarbeit, absolut umweltschädigend, stört niemanden, der mit dem Iphone zwitschert… (ich inklusive). Wir tendieren dazu, Luxusprobleme zu thematisieren und vergessen dabei, dass viele Menschen auf diesem Planeten nicht mal mit dem ganzen Lohn im Leben ein Iphone besitzen könnten.

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    1. Ich gehe mit dir einig, dass es weit grössere Probleme auf dieser Welt gibt, als die, welche wir hier besprechen. In der 1. Welt sind es hauptsächlich Luxusprobleme, da wir die Grundbedürfnisse in den meisten Fällen gedeckt haben. Zwar gibt es auch in unseren Breitengraden Menschen, die durch die Maschen des Sozialnetzes fallen, doch im Grossen und Ganzen kann man sagen, dass jeder die Möglichkeit hat, seine Grundbedürfnisse (die primären) zu befriedigen.

      Wenn man sich auf den Standpunkt stellt, dass man sich besser den wirklich gravierenden Problemen zuwenden soll, statt Luxusprobleme zu wälzen, dann wären viele Themen der sogenannten 1. Welt vom Tisch. Themen, die in unseren Breitengraden doch Probleme darstellen. Im grossen Rahmen sind sie nichtig. Doch wir leben nunmal hier mit den hier herrschenden Bedingungen. Die Diskussion, ob eine Arbeitswoche 40 oder 42 Stunden haben soll, ist sicher nicht lebensnotwendig, und doch werden Stunden über Stunden darüber verbraten. Die Frage, ob in einer Unimensa Fleisch serviert werden soll, wird zum Hohn, wenn man an die hungernden Kinder in Afrika denkt (die auch bei einer fleischlosen Mensa nicht mehr zu essen hätten). Relevant wäre wohl, die Relationen im Kopf zu behalten und sich bewusst zu sein, dass wir privilegiert sind, die Probleme zu wälzen, die wir haben.

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      1. Hierzu passt übrigens auch mein letzter Blog-Artikel:
        http://zeitspiegel.wordpress.com/2012/10/07/relativitat-und-zufall-wesentliche-elemente-unseres-bewusstseins-und-seins/

        Deine Abhandlung der Esstörungen/Süchte ist mir etwas zu beliebig. Süchte haben ja auch mit Verlockungen, Reizen zu tun. Zum einen verlockt das dürre Model-Ideal dazu, seinen Körper so kontrollieren, so „disziplinieren“ zu können, dass der profane Hunger „besiegt“ wird. Das ist natürlich ein gewisser Triumph, der Abhängigkeitspotenzial birgt. Zum anderen kann man mit Bulimie sozusagen den Verlockungen von Süssigkeiten und Burgern ein Schnippchen schlagen. Ich denke schon, dass da unsere Leistungs- und Konsumgesellschaft eine Rolle spielt. Die Ursachen sind vielfältig und natürlich ist Deine Analysekette auch wesentlich. Es wäre interessant, die Meinung eines „Experten“ zu den Ursachen hinzuzuziehen (übrigens sind auf Twitter überproportional viele Essgestörte).
        Das Kernthema bleibt männlich/weiblich. Können wir unsere Biologie abstreifen, durch Reflexion abschalten? Ich glaube nicht. Ein Beispiel als Denkanstoss:
        Will jemand bestreiten, dass die Mutter-Kind-Bindung, geknüpft durch die neunmonatige Schwangerschaft und die Stillzeit etwas Einzigartiges ist. Ein so intimes Verhältnis ist zwischen Vater und Kindern kaum erreichbar. Natürlich sind auch die Vater-Kinder-Verhältnisse im Idealfall sehr vertraut, aber kommen sie bei positiven Grundvoraussetzungen an das Verhältnis zur Mutter heran? Das meine ich weder resignativ oder vorwurfsvoll, aber ist es nicht einfach so?
        Ein letzter Satz zu den Zigarren: Die Marke? Keine Ahnung. Bei billiger und roher Werbung kritisieren, statt schweigend drüber hinwegsehen. Da sind wir doch einer Meinung.

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  10. Die biologischen Fragen klammere ich aus, ich hoffe auf Biostratus… ich kenne mich da echt kaum aus, bin erst dran, das aufzuarbeiten durch neurologische Literatur… Zur Sucht:
    Dass auf Twitter einige drunter sind, fiel mir auch auf. Erschreckend. Und traurig. Die Frage nach der Ursache bleibt. Ich denke nach wie vor, die Werbung sprang auf den Zug auf, war nicht Ursache. Essstörungen sind Süchte. Solche, die im Kindesalter entstanden. Da hat man kaum andere Mittel – im Normalfall. Und ja, Essen taugt prima als Leistungsfaktor. Zu widerstehen ist Triumph. Doch gibt es Studien der „perfekten Magersüchtigen“: wer neigt dazu, wie sieht das Profil aus? Perfektionistin, strukturiert, kontrolliert, leistungsorientiert. Sie will genügen. Ansprüchen. Denen von aussen und denen von innen, wobei die von innen die von aussen toppen. In der heutigen Gesellschaft… verdammt hoch. Meine Theorie – ganz unbewiesen, Hausfrauenpsychologie: Magersüchtige wollen wieder klein werden. Kind sein. Da wurden sie bedingungslos geliebt. Je älter sie wurden, desto grösser wurden die Erwartungen. Denen können sie nicht genügen, weil die zu hoch sind, vor allem, weil sie diese übertreffen wollen und in sich die Angst spüren, es nicht zu schaffen. Daraus entsteht Spannung, die halten sie nicht aus. Das ist die unbewusste Schiene. Die tollen schönen perfekten Menschen auf Plakaten können sicher noch ein Auslöser darstellen, doch ich denke nicht, dass sie Ursache sind.

    ich habe mich heute mal in der TV-Werbung geachtet… es flitzten viele leichtbekleidete schlanke, nach heutigen Massstäben schöne Frauen über den Bildschirm. Alle für reine Frauenprodukte. Die Kritik der Ausbeutung für den Mann fällt damit weg in meinen Augen (kurz gegriffene Analyse, aber es ist ein Blog, keine Dissertation). Bleibt der Vorwurf des falschen Frauenbildes. Frauen scheinen drauf anzuspringen. Stellt sich die Frage, wieso. Und ob man die Werbung dafür verantwortlich machen kann.

    Werbung ist reaktiv. Sie reagiert auf die Gesinnung der Menschen, auf die Vorstellungen und auf das, was zieht. Genauso wie Gesetze im Staat. Immer nur reaktiv. Man ändert kaum je die Gesetze, wenn die aktuelle Seinslage dieses nicht erfordert. Genauso wenig wird die Werbung geändert, wenn die Wunschvorstellungen der Menschen sind, wie sie sind. Man müsste sich fragen, wie man diese aus den Köpfen kriegt. Das wäre das Pferd von der richtigen Seite aufspannen.

    In den letzten Jahren/Jahrzehnten hat sich sehr viel für die Rechte der Frauen getan. Mit diesen Rechten wuchsen a) die Anforderungen, da man nun auf ALLEN Bereichen des Lebens erfolgreich einsetzbar sein musste, um zu bestehen und b) die Schwierigkeiten, mit dem anderen Geschlecht klar zu kommen. (Auch das kurz gegriffen, da es sonst überbordet). Die Rechte sind gut und wichtig. Wir müssten wohl lernen, sie als Rechte zu nehmen, nicht als Pflicht, nun überall perfekt zu sein. Das überfordert alle – Mann wie Frau.

    Und: es gibt wohl Papakinder und Mamakinder. Ich weiss nun nicht, ob wer von meinen mitliest, ich enthalte mich der Aussage 😉

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  11. Nach meinen Prüfungen diskutiere ich mehr mit euch! Heute antworte ich skizzenhaft…
    Ich habe zwei möglich Erklärungen im Angebot, warum das derzeitige Frauenideal ein so mageres ist, obwohl das ja, wie Zeitenspiegel angemerkt hat, nicht gerade ein Zeichen für Gesundheit ist.
    Aus soziologischer Perspektive: Wir leben in einer Überfluss- und Leistungsgesellschaft. Wer es schafft trotz des Überangebots so dürr zu bleiben, hat etwas geleistet. Nämlich etwas, was in unserer Gesellschaft sehr schwierig ist: Verzicht.
    Aus Gender-Perspektive bin ich argumentativ nahe an Cosima mit ihrer Magersuchterklärung. Zart und zerbrechlich auszusehen symbolisiert Hilfsbedürftigkeit. Was für ein wunderbar einfacher Weg, den Männern zu zeigen, dass man sie braucht – gerade jetzt, da es viele starke Frauen gibt und das vielen Männern Angst macht.
    Ich habe mich übrigens nie dafür ausgesprochen irgendetwas abzuschaffen – keine Ahnung, woher dieser Ruf kommt 🙂 Ich habe mich dafür ausgesprochen eine größere Vielfalt zu zeigen – in Medien, Werbung und Alltag. Eine Vielfalt von Männlichkeit, eine Vielfalt von Weiblichkeit und auch von denen, die sich keinen der beiden Kategorien wirklich zugehörig fühlen. Langzeitziel wäre, dass die Denkkategorien männlich/weiblich bedeutungslos werden. Ich glaube, dass dies helfen kann eine echte Gleichberechtigung zu schaffen. So lange wir noch in den Kategorien männlich/weiblich denken, ordnen wir diesen leider auch noch stark/schwach und unterschiedliche, meist gegensätzliche Rollenbilder zu. Dieses bipolare Denken ist ja auch herrlich einfach.
    Es geht mir wie gesagt um Gleichberechtigung in der Vielfalt! Nicht um Gleichheit – das ist ein himmelweiter Unterschied. Nicht ein Geschlecht anstatt zweier – sondern viele!
    Gleichzeitig muss ich zugeben, dass dies auch eine gefährliche Idee ist. Denn an was orientieren wir uns noch, wenn wir nicht einmal mehr wissen, was typisch weiblich und typisch männlich ist? Diese Unterscheidung scheint so grundlegend wichtig für uns! Cosima hat ja schon aufgezeigt, wie überfordert wir sind, wenn sich Rollenbilder ändern. Andererseits sind Veränderung eben meist auch schmerzhaft und verwirrend. Nicht alle sind deshalb schlecht.
    Noch ein Wort zu Zeitenspiegels Vorstellung, dass die Mutter-Kind-Bindung durch Schwangerschaft und Stillzeit stärker ist: Die Väter haben mindestens 18 Jahre Zeit dies aufzuholen. Allerdings ist selbst wenn sie zuhause bleiben und die Frau arbeiten geht noch lange nicht garantiert, dass das Kind ein Papakind wird. Kinder lassen sich weder von der Biologie, noch von der Soziologie vorschreiben, wenn sie mehr lieben wollen. Da sind sie eigensinnig.

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    1. Guter Kommentar. Gute Beweisführung ;-). Auch mit dem Magersuchtmodell gehe ich weitgehend konform, doch der Bezug zu den Männern leuchtet mir bei den Models noch ein, bei den Magersüchtigen sehe ich dann den Bezug zum sozialen (männlichen) Umfeld nicht. Aber das ist nur ein Detail, vielleicht auch Missverständnis. Ja, Vielfältigkeit ist ein schönes Ideal, das meine ich auch nicht ironisch. Aber können wir uns von unserer Biologie (Physis, Hormone) so frei machen? Und wozu? Ist doch ein Teil unserer Identität. Was ist an weiblichen oder männlichen Attributen denn so schlecht neben allen möglichen anderen?

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    2. Hier eigensinniges Papakind – wieso? Eigensinn – mehr von mir morgen, heute ist zu spät. Aber ich danke euch allen für diese anregende Diskussion!

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