Genug ist nicht genug

Konstantin Wecker singt in einem Lied „Genug ist nicht genug“. Es ist ein Lied des Aufbruchs, ein Lied, hinauszugehen und das Leben zu entdecken. Es ist ein Lied, sein Leben in die Hand zu nehmen und eigene Wege zu gehen, sich nicht im Alltagstrott auszuruhen, nicht fremde Dogmen zu akzeptieren, sondern seine eigene Wahrheit zu suchen. Im Sinne Konstantin Weckers eine gute Sache. Sie ruft auf, sich auf sich selber zu besinnen und auszubrechen aus äusseren Zwängen. Doch im Satz „genug ist nicht genug“ liegt auch eine Gefahr. Ich denke, daran krankt die Menschheit heute. 

Genug heisst, dass das, was man hat, genug ist, es ausreichend ist. Nun kann man sich fragen, was es heisst, genug zu sein. Was muss im Leben abgedeckt sein, dass man sagen kann, es ist genug? Einigkeit besteht sicher bei den Grundbedürfnissen. Wenn diese abgedeckt sind, ist schon mal viel gut. Viele Menschen können davon nur träumen. In unseren Breitengraden sehen wir das als selbstverständlich, wir denken kaum mehr dran, dass das nicht Standard sein könnte und setzen die Messlatte entsprechend höher. Grundbedürfnisse wäre blosses Überleben, doch wir wollen leben, das braucht mehr. Das minimale „Genug“ ist nicht mehr genug. 

Nur: wann ist es nun genug? Die Ansprüche gehen hier wohl auseinander. Und ich denke, mit wachsenden Möglichkeiten werden die Ansprüche höher.

Das Streben nach immer Besserem vergiftet die Freude am eigentlich Guten in deinem Leben.

Wer genug zum Überleben hat, hätte gerne ein Auto. Wer ein Auto hat, hätte gerne ein teureres. Dann kommen Ferien, das Haus, die Yacht, der Schmuck.. die Kleider sollen nicht mehr H&M, sondern Gucci sein… die Liste ist unendlich. Genug kann es nie mehr sein. Die Freuden am Neuen werden kürzer, noch mehr Neues muss her. Konsum wird zur Sucht und die Befriedigung nimmt in der Dauer ab – kontinuierlich. Nun kann man da den Moralzeigfinger schwingen und sich auf die armen hungernden Kinder in Afrika besinnen. Ich denke, das wird nichts bringen. Wir sind nicht in Afrika, so schrecklich die Zustände da teilweise sein mögen. Es ist zu weit weg. 

Was aber nah ist, ist die eigene Unzufriedenheit. Und irgendwann könnte einem aufgehen, dass man selber etwas dazu beitragen könnte, zufriedener zu sein. Es könnte einem aufgehen, dass das immer höher hinauf Wollen nicht allselig machend ist. Es könnte einem aufgehen, dass mehr nicht besser und besser nicht Glück bringender ist. Dabei möchte ich nicht sagen, dass man nicht geniessen soll, was man hat – jeder nach seinen Möglichkeiten. Keiner soll auf Grundbedürfnisse zurück schrauben müssen, wenn er mehr hat und mehr kann. Das wäre unrealistisch und die Forderung entspricht wohl eher dem Neid des Besitzlosen als der Wirklichkeit. Aber mit dem Mehr dann zufrieden sein, das wäre schon mal ein guter Anfang. Ein paar Träume, die darüber hinaus gehen, sind sicher Motivator, sich weiter anzustrengen, zu viele Träume mehr Grund, sich irgendwann unglücklich fallen zu lassen. 

3 Kommentare zu „Genug ist nicht genug

  1. Für alle, die es nicht kennen: Konstantin Weckers Liedtext:

    Genug ist nicht genug

    Daß der Himmel heute so hoch steht,
    kann doch wirklich kein Versehen sein.
    Und es ist bestimmt kein Zufall, daß die Lichter sich vom Dunst befrein.
    Ich sitz regungslos am Fenster,
    ein paar Marktfraun fangen sich ein Lächeln ein.
    Irgendwo da draußen pulst es,
    und ich hab es satt, ein Abziehbild zu sein.
    Nichts wie runter auf die Straße,
    und dann renn ich jungen Hunden hinterher.
    An den Häusern klebt der Sommer,
    und die U-Bahnschächte atmen schwer.
    Dieser Stadt schwillt schon der Bauch,
    und ich bin zum großen Knall bereit.
    Auf den Dächern hockt ein satter Gott
    und predigt von Genügsamkeit:

    Genug ist nicht genug,
    ich laß mich nicht belügen.
    Schon Schweigen ist Betrug,
    genug kann nie genügen.

    Viel zu lange rumgesessen,
    überm Boden dampft bereits das Licht.
    Jetzt muß endlich was passieren,
    weil sonst irgendwas in mir zerbricht.
    Dieser Kitzel auf der Zunge,
    selbst das Abflußwasser schmeckt nach Wein.
    Noch mal kurz den Mund geleckt,
    und dann tauch ich ins Gewühl hinein.
    Komm, wir brechen morgen aus,
    und dann stellen wir uns gegen den Wind.
    Nur die Götter gehn zugrunde,
    wenn wir endlich gottlos sind.
    Auf den ersten Rängen preist man
    dienstbeflissen und wie immer die Moral.
    Doch mein Ego ist mir heilig,
    und ihr Wohlergehen ist mir sehr egal.

    Genug ist nicht genug,
    ich laß mich nicht belügen.
    Schon Schweigen ist Bertrug,
    genug kann nie genügen.

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  2. Ich denke eines der Probleme liegt darin, dass wir uns immer mit anderen vergleichen – besser sein wollen als andere, häufig auf Kosten anderer. Wenn das Bestreben darin liegen würde, sich selber zu verbessern, seine Prinzipien und Grundsätze im Wohl der Gesamtheit zu leben und zu verwirklichen – dann wäre genug ist nicht genug sogar positiv.
    Nur ist das wohl sehr blauäugig – es gibt sehr wenige Menschen, die dies wirklich leben oder gelebt haben. Seine Sehnsüchte mit Konsum zu befriedigen ist wohl einfacher als mit Demut und Dankbarkeit, gilt auch für mich…

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    1. Es gibt einen Ausspruch – sinngemäss -, der lautet: Mit dem Vergleich fängt das Unglück an. Ich weiss nicht mehr, wo ich ihn herhabe, aber er hat durchaus viel Wahres. Den Wettbewerb, der durch den Vergleich entsteht, ganz abschaffen würde ich nicht, aber ihn nicht mehr zum Mass aller Dinge machen. Das Übel ist wohl nicht, sich (in gesundem Mass) an anderen zu messen, das würde einen selber vorwärts bringen, sondern die anderen in den Schatten stellen zu wollen, indem man immer wieder beweisen muss, dass man besser ist. Nicht gleich gut, besser. Das liegt wohl aber auch in der Natur des Menschen – des (evolutionären) Lebens allgemein?

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